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Keine Eile für den Tiergarten-Tunnel

■ Während der Senat bereits morgen über das Verkehrskonzept im geplanten Regierungsviertel entscheiden will, sieht das Bundesverkehrsministerium keinen Zeitdruck/ SPD: Diepgen drängt

Berlin. Beim geplanten Tunnelbau unter dem Tiergarten kann Berlin sich Zeit lassen. Das Bundesverkehrsministerium drängt den Senat nicht, noch in diesem Jahr die Verkehrsplanung für das Regierungsviertel zu entscheiden. Wie der Referent des Bundesverkehrsministers, Günter Vogler, erklärte, sei Bonn damit einverstanden, wenn der Senat erst im nächsten Jahr seine verkehrlichen Vorgaben für den Parlamentsbereich zwischen Spree und Landwehrkanal festlege. Der Senat will morgen unter anderem den Bau eines Nord-Süd-Autotunnels und einer unterirdischen Nord-Süd-Eisenbahnverbindung beschließen. Die Eile wird damit begründet, daß Bonn bis Ende Dezember eindeutige Berliner Vorgaben wünsche.

Anfang 1992 will der Senat gemeinsam mit der Bundesregierung einen städtebaulichen Wettbewerb für den Parlaments- und Regierungssitz im Spreebogen ausloben, zu dem dann die Vorgaben notwendig sind.

Bei der Diskussion über die Verkehrsführung am Reichstag sieht sich die SPD-Fraktion von Bonn ungebührlich »unter Druck gesetzt«, erklärte deren Sprecher Hans-Peter Stadtmüller. Nach Angaben der verkehrspolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion, Käthe Zillbach, hat der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen gegenüber der SPD bereits für morgen eine Senatsentscheidung angekündigt. Die Abgeordnete bestätigte, daß deshalb der 70köpfige Landesausschuß der Partei eiligst zu einer heute stattfindenden Sondersitzung zusammengetrommelt wurde, um über das Votum der SPD-Senatoren abzustimmen.

Wie der persönliche Referent von Verkehrssenator Herwig Haase (CDU), Hans Schnoor, demgegenüber der taz erklärte, wolle der Senat erst »Anfang bis Mitte Januar« ein Straßenverkehrskonzept für die Gegend um den Reichstag vorlegen — zeitgleich mit den Plänen für den Eisenbahnfernverkehr. Dagegen hat die Verkehrsverwaltung in einem Entwurf bereits den Trassenverlauf eines Autotunnels festgelegt.

Über den Verlauf und die Länge des Straßentunnels durch den Tiergarten gibt es in der Verkehrs-, Stadtentwicklungs- und Bauverwaltung bis dato ganz unterschiedliche Vorstellungen. Bei dem Verkehrskonzept aus dem Hause Haase muß am südlichen Ende unbedingt eine »Option für die Verlängerung als Stadtstraße im Zuge der Flottwellstraße« berücksichtigt werden. Nur schlecht verhüllt würden damit wiederum die alten umstrittenen Planungen für eine Westtangente vom Schöneberger Autobahnkreuz Richtung Norden fröhlich Urständ feiern.

In einer anderen Variante, die der Verkehrsplaner Volker Sparmann für Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer erarbeitete, wird der Tunnel am Südende ebenfalls durch eine Brücke über den Landwehrkanal mit den Kanaluferstraßen verbunden. Eine Verlängerung nach Süden ist in diesem Konzept allerdings nicht mehr möglich. Während die Haase-Planer am Kemperplatz eine Zu- und Abfahrt zum künftigen Regierungssitz vorsehen, lehnt Sparmann dies ab. Als westliches Bindeglied des inneren Straßenrings solle der Tunnel nämlich die Innenstadt vom Durchgangsverkehr entlasten — eine »Regierungsabfahrt« würde »das ganze Konzept kaputtmachen«.

Eine dritte Variante läßt den Tunnel erst nördlich des Kemperplatzes beginnen, womit er kürzer und somit billiger ausfiele. Die von ihm so bezeichnete »SPD-Lösung« wird laut Sparmann augenblicklich von Bausenator Nagel und seinem Baudirektor Hans Stimmann bevorzugt. Gravierender Nachteil sei, daß der von Norden kommende Durchgangsverkehr über zwei Knotenpunkte am Kemperplatz und an der Potsdamer Straße doch wieder in den östlichen City-Bereich strömen könnte, sagte Sparmann. Zu seinem Verkehrskonzept gehört der absolute Vorrang des öffentlichen Nahverkehrs in der City-Ost. Um dem Senatsziel nahezukommen, den Anteil der öffentlichen Verkehrsmittel am gesamten Verkehrsaufkommen auf 80 Prozent zu steigern, möchte Sparmann in der gesamten östlichen City Tempo 30 und ein flächenhaftes Netz von Straßenbahn- und Buslinien, letztere auf besondere Busspuren. Auf die jetzige Entlastungsstraße sollen Rasengleise für die Straßenbahn.

Den eigentlichen verkehrspolitischen Sinn eines Tiergarten-Autotunnels vermochte Sparmann, der auch das verkehrspolitische Gesamtkonzept der SPD mit erarbeitete, allerdings auch nicht zu vermitteln. Nach den vorliegenden Berechnungen könnte der Tunnel mit insgesamt vier Fahrspuren stündlich pro Richtung maximal 2.000 Autos verkraften. Auf der alten Entlastungsstraße brausen schon heute pro Richtung 3.000 Blechvehikel entlang. Der Planer: »Auch wenn ich den Tunnel sechsspurig mache, würde er nicht reichen.« Sparmann räumte ein, daß ein Tunnelbau im Tiergarten »in jedem Falle negative Auswirkungen auf das dortige Grundwasservorkommen« hat. Thomas Knauf

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