: Namibias Frauen mischen sich ein
Auf dem gegenwärtigen Parteikongreß der namibischen Regierungspartei Swapo stellen Frauen ein Drittel der Delegierten — und auch sonst werden in Namibia patriarchalische Traditionen in Politik und Gesellschaft zunehmend in Frage gestellt/ „In der Regierung sitzen vor allem Männer“ ■ Von Florence Hervé
Die Ministerin für Jugend und Sport, Pendukeni Ithana, kam eine Stunde zu spät. Sie hatte sich auf den Sandstraßen der Hügel nördlich von Windhook völlig verfahren. „Warum habt ihr keine Swapo- Flagge über den Hügeln wehen lassen?“ tadelte sie die Organisatorinnen des ersten Kongresses des Swapo-Frauenrats nach der Unabhängigkeit. In der einsamen Gegend von Brakwater trafen sich vom 8. bis zum 10.November rund 200 Delegierte aus verschiedenen Regionen und Sprachgebieten, unter Ausschluß der Öffentlichkeit.
Relikt aus illegaler Zeit, wo 1980 der erste Kongreß des 1969 gegründeten Swapo-Frauenrats im angolanischen Exil stattfinden mußte? Vor wenigen Jahren ging es noch um die Mobilisierung der Frauen für den Befreiungskampf während der südafrikanischen Apartheid-Unterdrückung, unter dem Motto „Ohne Befreiung kein Fortschritt“. Diesmal ging es um eine Neubestimmung der größten, 50.000 Mitglieder zählenden Frauenorganisation in einem Lande, wo die Mutterpartei mit einer satten Mehrheit von 57 Prozent an den Machthebeln sitzt und wo es immerhin sechs weibliche Abgeordnete im 77köpfigen Parlament gibt sowie zwei Swapo-Ministerinnen. Eine kleine Sensation in Afrika.
Auf englisch, afrikaans, ovambo und herero einigten sich die Swapo- Frauen auf eine Sowohl-als-auch- Strategie: weiterhin innerhalb der Partei zu arbeiten, zugleich aber entschieden für Gleichheit in der Gesellschaft, in der Partei und in der Welt einzutreten. Bemerkenswert war das Stattfinden demokratischer Wahlen, mit Gegenkandidatinnen. Gwen Lister, Chefredakteurin der auflagenstärksten Tageszeitung 'The Namibian‘: „Namibia ist wahrscheinlich ein Modell in Demokratie innerhalb Afrikas.“
Die Mutter- und Regierungspartei steht nicht schlecht da in Sachen Frauen. Auf ihrem Kongreß, der dieser Tage stattfindet, sind ein Drittel der Delegierten weiblich — auch eine kleine Sensation für Afrika. Der 10.Dezember ist ein Feiertag — Tag der Frauen Namibias, in Erinnerung an den Aufstand von Windhuk, als viele schwarze Frauen gegen Zwangsumsiedlungen protestierten.
Und seit einem Jahr gibt es ein Frauenbüro beim Präsidenten, das „Department of Women's Affairs“, als „eine Art Katalysator zwischen den Frauen und der Regierung“. Die Leiterin, Maria Kapere, die sich nicht als Alibi-Frau sieht: „Wir möchten Frauen für ihre Probleme sensibilisieren und fördern.“
Die Probleme liegen auf der Hand. Und es sind nicht nur die allgemeinen Probleme wie Arbeitslosigkeit, Analphabetentum, schlechte Wohnbedingungen und Hunger. Die namibische Gesellschaft ist eine äußerst patriarchalische. Trotz verfassungsmäßigen Verbots der Diskriminierung gelten frauendiskriminierende Gesetze nach wie vor. Frauen unterstehen der „ehelichen“— sprich: der männlichen— Gewalt. Noch dürfen Frauen kein Eigentum besitzen, noch dürfen sie nicht erben, noch werden sie in der Entlohnung offiziell benachteiligt.
Pshukeni Shoombe, eine der sechs weiblichen Parlamentsabgeordneten, diesjährige Unesco-Preisträgerin wegen ihres Engagements für Alphabetisierung und Bildung und Leiterin der Finanzkommission zur Vorbereitung des Swapo- Kongresses, verhehlt ihre Enttäuschung nicht. Zeigte sie sich noch vor einem Jahr zuversichtlich, daß die frauendiskriminierenden Gesetze bald der Vergangenheit angehören würden, so sagt sie heute: „Wir Parlamentarierinnen haben Vorschläge gemacht... aber in der Regierung sitzen vor allem Männer.“
Ellen Musialela, neu gewählte Generalsekretärin des Swapo-Frauenrats: „Wir müssen mit den diskriminierenden Gesetzen Schluß machen. Und dies beginnt vor Ort.“ Mit Tabus und alten Traditionen muß gebrochen werden. Aber: „Es ist nicht gut, unsere Ideen einfach durchzupeitschen. Wenn ich mich dafür entschieden habe, meine Tochter für lobola [Brautpreis] nicht zu verkaufen, dann kann ich nicht erwarten, daß alle der gleichen Ansicht sind.“
Die Verankerung des Swapo- Frauenrats auf kommunaler Ebene scheint zu gelingen. Klagten Frauen noch vor einem Jahr über das geringe Engagement seit der Unabhängigkeit, nach dem Motto: „Die Regierung macht es schon“, so scheint sich heute die Grass-roots-Bewegung zu entfalten. Das Auffälligste sind die viefältigen Frauenprojekte. Ob es um Aids-Vorbeugung geht, um Familienplanung, um Gesundheitsvorsorge, um Nähzentren oder um Hühnerfarmen: Swapo-Frauen spielen eine entscheidende Rolle.
Tabuthemen werden inzwischen angegangen. So das Thema Gewalt gegen Frauen. Ellen Musialela: „Wir haben noch keine Häuser für geschlagene Frauen. Aber wir rufen uns jetzt gegenseitig an. Vergewaltigungen werden neuerdings registriert, wir informieren darüber im Rundfunk und haben vor, geschlagenen Frauen in unserem neuen Frauenzentrum Räume zur Verfügung zu stellen. Wir haben auch Arbeitsgruppen zu Gewalt gebildet.“ Das Thema Schwangerschaftsabbruch wird mit sehr viel Behutsamkeit diskutiert: „Unser Land ist kulturell christlich geprägt, und wir haben zur Zeit andere Prioritäten als in europäischen Ländern. Die Frauen sollen selber darüber entscheiden. Wir fördern lediglich die Diskussion darüber.“
In diesem Zusammenhang bedauert Maria Kapere die Tendenz vieler, den Frauenkampf auf das Frauenbüro zu delegieren. Sie erhofft sich mehr Zündstoff durch die Entwicklung einer nationalen Frauenorganisation. Dies geschah Mitte November, als sich 200 Frauen im Augistineum Teachers College trafen.
„Ziel ist, daß Frauen zusammenkommen und sich untereinander austauschen“, meint Ellen Musialela. „Wir werden uns auf Frauen konzentrieren, nicht auf Politik.“ Die Leiterin des Frauenbüros schließt allerdings nicht aus, daß es zu Konflikten mit der Regierung kommen kann — und daß sie selbst, wenn Frauen ihre Interessen offensiv vertreten, durchaus „zwischen allen Stühlen sitzen wird“.
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