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„Niemals auf die Regierungsbank!“

■ Die „Ökologische Linke“ begann in Frankfurt/Main mit 775 Mark in der Kasse ihr Dasein als Partei

Frankfurt/Main (taz) — „Opportunismus macht dumm und einsam“, schrieb Jutta Ditfurth in der Zeitschrift 'Öko Linx‘ den Grünen ins Stammbuch. Und weil die Linke in Deutschland „nach Hoyerswerda“ die öffentlichen Räume nicht vollständig den „Neofaschisten und den Lauen“ überlassen dürfe, hatten sich die Mitglieder der bereits im Mai aus dem grün-alternativen Nährboden gestampften Öko Li/AL in der Fachhochschule der Mainmetropole zum Gründungskonreß versammelt.

Nach den Vorstellungen der Ex- Mitglieder der Grünen, Jutta Ditfurth und Manfred Zieran, die bundesweit zum Kongreß geladen hatten, sollte sich die Öko Li/AL von Freitag bis Sonntag zur Partei mausern. Und tatsächlich votierten 63 von 86 stimmberechtigten Mitgliedern am Sonnabend die neue Partei Öko Li herbei — nach heftigsten bewegungsinternen Kämpfen. Bei der vorausgegangenen Abstimmung aller Anwesenden hatten sich noch 65 Menschen gegen eine Parteigründung ausgesprochen. Diverse Kleinstgruppen rot-schwarzer Coleur äußerten die Befürchtung, daß das gesamte Projekt von den Frankfurter MacherInnen als Profilierungsinstrument mißbraucht werden könnte. In einer eilig auf der Asta-eigenen Matrizenmaschine hergestellten „Klo-Zeitung“, die gespickt war mit präpubertären Zeichnungen, wurden vor allem Manfred Zieran und Jutta Ditfurth heftigst angegriffen. Aus Wiesbaden angereiste Ex-Grüne sprachen von einer „üblen Atmosphäre“ auf dem Kongreß. Die „Durchzocker um Manfred Zieran“, so etwa die überzeugte Fundamentalistin Heidi Lankisch, hätten wieder einmal alles an sich gerissen. Lankisch und auch die ehemalige Frankfurter Stadtverordnete Manon Tuckfeld spielten kurz nach Parteigründung schon mit „Austrittsgedanken“ (Lankisch).

Daß sich schließlich doch noch eine Mehrheit für das Parteienkonstrukt fand, lag wohl daran, daß „man/frau“ sich letztendlich darauf verständigen konnte, zwar Partei aber „niemals Regierungspartei“ zu werden. Und zu Bundestagswahlen werde man nur dann antreten, wenn eine Vollversammlung der Partei einen entsprechenden Beschluß fassen sollte. Die knapp hundert Menschen, die dann am Sonntag die 107 Seiten starke Tischvorlage mit den Anträgen zur Satzung der Öko Li abarbeiteten, wurden von Kassenwart Jan Kuhnert (Ex-MdL der Grünen) davon in Kenntnis gesetzt, daß die Organisation mit einem Bilanzüberschuß von 775 DM aufwarten könne, der nun voll in die Parteikasse fließen werde. Die Versammelten entlasteten den Marburger daraufhin einstimmig. Danach fanden die Wahlen zum SprecherInnen-Rat der neuen Partei statt. Manfred Zieran aus Frankfurt und Arne Timmermann aus Hamburg sowie Anke Lehmann aus Brandenburg wurden von knapp 80 Anwesenden in den achtköpfigen, paritätischen „Vorstand“ gewählt. Jutta Ditfurth lehnte dagegen eine ihr angetragene Kandidatur dankend ab. Die „Promis“, so Ditfurth süffisant, sollten sich diesmal nicht in den Vordergrund drängen. Ob sich die neue Partei, die „antikapitalistisch, antipatriarchalisch, antimilitaristisch, antiautoritär, antispießbürgerlich, antistalinistisch und antiimperialistisch“ sein will, einmal in den Vordergrund drängen wird, bleibt dagegen abzuwarten. Klaus-Peter Klingelschmitt

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