: Bund profitiert vom Todesstreifen
■ Laut Einigungsvertrag werden die früheren Besitzer von Mauergrundstücken nicht entschädigt/ Berliner Politiker wollen das Gesetz zugunsten der Alteigentümer ändern/ Es geht um 144 km Land
Berlin. Entgegen den Bestimmungen des Einigungsvertrages wollen Berliner Politiker die Besitzer der vom SED-Regime enteigneten Grundstücke auf dem Todesstreifen entschädigen. »Es ist der Bevölkerung nicht zu vermitteln, daß der Bund als Rechtsnachfolger des SED- Regimes die enteigneten Grundstücke nicht zurückgibt«, erklärte Justiz-Staatssekretär Detlef Borrmann am Montag auf einer Konferenz der ostdeutschen Justizminister. Die FDP-Fraktion hat bereits einen Antrag im Berliner Abgeordnetenhaus eingebracht, in dem der Senat aufgefordert wird, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu ergreifen, das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen auch auf die Mauergrundstücke auszudehnen.
Ob der Senat mit dieser Position bei der Bundesregierung Erfolg haben wird, ist allerdings zweifelhaft. Im Einigungsvertrag ist eine Rückgabe ausdrücklich nicht vorgesehen, auch Entschädigungen sollen nicht gezahlt werden. Nach der bestehenden gesetzlichen Grundlage baut das Verteidigungsministerium die Grenzanlagen restlos ab und entmint das Gelände. Anschließend soll der 155 Kilometer lange und durchschnittlich 50 Meter breite Grenzstreifen dem Bundesverwaltungsamt übergeben werden. Weil insbesondere die Grundstücke im innerstädischen Bereich sehr wertvoll sind, wird der Bund mit einem Schlag reich werden. Außerdem bekommt er etliches Land an der knapp 1.400 Kilometer langen innerdeutschen Grenze. Der Bund profitiert damit direkt vom Verteidigungsgesetz der DDR-Regierung vom 20. September 1961. Damals enteignete das SED- Regime die Privatbesitzer, um freies Schußfeld bei der Verfolgung von Republikflüchtlingen zu haben.
Zur Falle ist den einstigen Besitzern der Mauergrundstücke eine beschwichtigende Zusatzbestimmung des alten Regimes geworden. Weil 1961 die Eigentümer in der Regel entschädigt wurden, wenn auch mit lächerlich geringen Summen, kann für sie heute das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen nicht zur Anwendung kommen. Denn Ansprüche können nur diejenigen anmelden, die entschädigungslos enteignet worden sind. Die Justizminister einigten sich auf der Potsdamer Konferenz, daß diese Frage in Bonn neu geprüft werden müsse und eventuell in eine Überarbeitung des Bundesvermögensgesetzes miteinbezogen werden soll.
Einigkeit herrschte bei den Ministern, daß zumindest der Rechtsanspruch von Zwangsumgesiedelten auf ihre alten Grundstücke verbessert werden müsse. »Die Zwangsumgesiedelten, die eine besonders schlimme Art der Verfolgung erlitten hätten, müßten rechtlich so gestellt werden, daß sie ihre Grundstücke zurückfordern können«, meinte der Justizminister von Sachsen-Anhalt. aku
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