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Deutschdoppelwhopper

■ Berlin wird eben immer noch von Bonn aus regiert

Berlin. Den ganzen krokodilstränenreichen Lobbystreit, den historischen Showdown und die angeblich größte Stunde des Parlaments hätte sich die politische Klasse sparen können. Das geliebte Vaterland wird bald von zwei Städten aus verwaltet, wie in anderen Ländern auch üblich. Zehn Ministerien plus Kanzler kommen in die Hauptstadt, die acht anderen gruppieren sich locker zur »Verwaltungsstadt« Bonn.

In Berlin wurde gestern in Regierung und Opposition unterschiedlich auf den gestrigen Kabinettsbeschluß reagiert. Walter Momper, SPD-Chef und Ex-Regierender, meinte: »Die im Untergrund wühlende Bonn-Lobby hat einen Erfolg gelandet und ohne jeden Respekt vor dem höchsten Verfassungsorgan dessen Beschluß in unerträglicher Weise ausgehöhlt.« Das sei »raffgieriger Bonner Egoismus«. Momper forderte alle Ministeriums»spitzen« für Berlin. SPD- Fraktionschef Ditmar Staffelt schlug in die gleiche Kerbe: »Es ist für die politische Kultur unseres Landes höchst problematisch, wie die Regierung mit den Beschlüssen der Volksvertretung umgeht.«

Der Regierende Diepgen (CDU) und CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky begrüßten den Beschluß. Diepgen sprach von einem »Schritt in die richtige Richtung«. Es seien aber noch »Wünsche offen« und »Konkretisierungen notwendig«, insbesondere die Definition des Wortes »Amtssitz«. Landowsky sagte, am wichtigsten sei, daß der Sitz von Bundestag, Regierung und Präsident eindeutig Berlin sei. »Auf diese Entscheidung kann Berlin gut aufbauen«.

Die Kabinettsentscheidung sei »regierungs- und finanztechnisch nicht tragbar« und werde »vor der Geschichte keinen Bestand« haben, erklärte die FDP-Chefin Carola von Braun. Als »Bonner Ohrfeigen für Stadtvater Diepgen und Sozius Landowsky« werteten die Grünen/ Bündnis 90 den Beschluß. Die Hauptstadtentscheidung, die sich die große Koalition als große Leistung ans Revers geheftet habe, sei »völlig demontiert«. Auch die »munteren Worte« der Berliner FDP würden von den Bonner Liberalen »konterkariert«. kotte

(Siehe Seiten 4 und 12)

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