: Nato berät neue Strategie
Parlamentarier fordern vollständige Offenlegung der neuen Doktrin ■ Aus Genf Andreas Zumach
Mit einer in der über 40jährigen Geschichte der Nordatlantischen Allianz bislang einzigartigen Initiative fordern Parlamentarier aus Mitgliedsstaaten des Bündnisses die vollständige Offenlegung der neuen Nato-Strategie sowie eine Verbesserung der Informations- und Kontrollrechte der 16 Parlamente in allen Nato-Angelegenheiten. Über die militärischen Details der neuen Nato- Strategie, die das bisherige Geheimdokument MC 14/3 zur Strategie der „flexiblen Antwort“ ablösen soll, beraten heute und morgen die Nato- Verteidigungsminister in Brüssel. Die bis gestern von knapp 100 Parlamentariern aus der BRD, Großbritannien, Belgien, Luxemburg, Dänemark und den Niederlanden unterschriebene Initiative wurde von den Direktoren der sieben Friedens- und Konfliktforschungsinstitute in der Bundesrepublik angeregt.
Entgegen weitverbreiteter Darstellung hatten die Nato-Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen Anfang November in Rom zwar zwei politische Grundsatzdokumente zur neuen Nato-Strategie nach den Veränderungen in Osteuropa beschlossen. Ausgespart blieben jedoch die militärischen Implikationen der neuen Strategie. Deshalb wurden die Verteidigungsminister mit der Festlegung hochrelevanter Fragen wie der künftigen Streitkräfte- und Kommandostrukturen, der Bewaffnung, der Rolle der Atomwaffen sowie der operativen Einsatzoptionen von Nato-Streitkräften beauftragt. Künftige Streitkräftestrukturen und Einsatzoptionen lassen nicht zuletzt Rückschlüsse auf die Fähigkeit zu militärischen Interventionen auch außerhalb des Nato-Vertragsgebietes zu. Für derartige „Out of area“- Planungen — etwa mit Blick auf den Nahen Osten oder Nordafrika — setzten sich bei den bisherigen Beratungen vor allem die Vereinigten Staaten ein.
Bei ihrem Londoner Gipfel im Juli 1990 hatten die Nato-Regierungschefs noch die Veröffentlichung sämtlicher neuen Nato-Dokumente versprochen. Inzwischen ist eine Mehrheit — darunter die Bundesrepublik — von dieser Zusage abgerückt.
Die Parlamentarierinitiative nennt diese Geheimhaltung ein „schlechtes Beispiel für die entstehenden Demokratien in Osteuropa“. Bis gestern wurde die Initiative von 46 SPD-Mitgliedern des Deutschen Bundestages unterschrieben. Darunter befinden sich bis auf den Abgeordneten Mandfred Opel sämtliche SPD-Mitglieder des Verteidigungsausschusses. Außerdem unterzeichneten alle Abgeordneten der Gruppe Bündnis 90/Grüne sowie fünf PDS- Abgeordnete. Die sieben Institute sind das von Egon Bahr geleitete Institut für Friedens- und Sicherheitspolitik and der Universität Hamburg, die Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, Frankfurt, die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft, Heidelberg, das Berghof-Institut für Friedens- und Konfliktforschung, Berlin, das Forschungsinstitut für Friedenspolitik, Weilheim, sowie das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit.
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