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Teodore Anzellotti, der Initialzünder

■ Entsetzen: Bach, Cage und Hespos auf dem Akkordeon / Sonntag virtuoses Konzert in der Galerie Rabus

Hierhin die Noten

Hektisch gestolpert, Cluster-Riß jeweils blitzartig rasch, freie, äußerst vielfältige Register: Die Hespos-Partitur galt lange als unspielbar, bis Anzellotti kam.

Der virtuose Akkordeonspieler Teodore Anzellotti (Jg.59) studierte in Karlsruhe und Trossingen, sammelte Auszeichnungen und Preise und konzertierte in Europa und den USA. Am Sonntag wird er in einem DACAPO-Konzert Werke von Bach über Cage bis Hespos aufführen.

taz: Am Sonntag spielen Sie Musik, die 250 Jahre alt ist, und ganz neue Stücke. Was ist mit der Musik dazwischen?

Teodore Anzellotti: Ich hab mich hauptsächlich auf Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts beschränkt, weil bei dieser Musik das Instrument nicht an erster

Stelle steht. Stücke von Bach konnten z.B. auf ganz verschiedenen Instrumenten gespielt werden: ein Cembalokonzert konnte auch ein Violinkonzert sein. Ich denke mir, daß durch das moderne Instrument diese Stücke neu beleuchtet werden.

Sind die alten Stücke sehr bearbeitungsbedürftig, um auf dem Akkordeon spielbar zu sein?

So wie z.B. moderne Flügel Cembaloliteratur absolut original spielen können, können wir das auch. Es gibt bei meinem Instrument keine technische Begrenzung, diese Musik zu spielen.

Sie sind für Ihre Zusammenarbeit mit modernen Komponisten bekannt.

Nach meinem Studium hatte ich das Bedürfnis, andere Literatur zu spielen, als ich bisher an den Hochschulen kennengelernt habe, Avantgarde-Literatur. Bei einem Preisträgerkonzert stellte ich dann diese Musik vor: Im Programm war nur ganz neue Musik, die für mich geschrieben war. Das ergab damals eine riesige Reaktion: absolutes Entsetzen, viel Diskussion, viel Agression auch, wie man so etwas machen kann. Das hat mich zunächst etwas irritiert, aber auch darin bestärkt, Neuland zu betreten. Seitdem habe ich weit über 70 Stücke uraufgeführt, darunter Stücke von Luciano Berio, Mauricio Kagel, Dieter Schnebel, Rolf Riehm und

Manuel Hidalgo. Jetzt stelle ich fest, daß ich damals eine Art Initialzündung für neue, anspruchsvolle Akkordeonliteratur und eine neue Musikauffassung bei den Akkordeonisten ausgelöst habe: mittlerweile werden viele Stücke auf der ganzen Welt nachgespielt. Ich stelle mein Instrument und meine neu entwickelten Spieltechniken immer wieder Komponisten vor, die das in Kompositionen umsetzen. Manche haben auch Visionen — und ich versuche, die zu realisieren. Das ergibt manchmal sehr spannende Sachen.

Sind im Programm von Sonntag abend auch Stücke dabei, die für Sie komponiert wurden?

Ja, hauptsächlich: Rolf Riehm (Scheherazade, 1990) und Jörg Birkenkötter (4 Stücke f. Akkordeon, 1989) haben für mich komponiert. Das Stück von Cage (Dream, 1948) für Klavier habe ichübertragen, Cage hat diese Fassung autorisiert. Das einzige Stück, das nicht für mich komponiert war, ist „Abutak“ von Hespos, einem der ersten bedeutenden Komponisten, die für Akkordeon schrieben. Es wurde viele Jahre nicht vollständig gespielt und galt als unspielbar. Er schickte mir das Stück, ich habe kurz darauf die Uraufführung der Urfassung gemacht — es war möglich. Int.: Wilfried Wiemer

Sonntag, 20 Uhr, Plantage 13

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