: Alleingang
■ Dürfen prominente Homosexuelle enttarnt werden?
Alleingang Dürfen prominente Homosexuelle enttarnt werden?
Der TV-Skandal 91“, schreibt 'Bild‘. Damit ist der Skandal perfekt. Rosa von Praunheim war Dienstag abend geladen, auf dem heißen Stuhl in der RTL-Sendung Explosiv seine Fürrede zum Thema „Outing“ zu verbreiten. Dürfen prominente Homosexuelle enttarnt werden? lautet die Frage. „Deckt das heimliche Sexleben der Promis auf“, widmet der Sender die schwierige Angelegenheit um. Praunheim pariert beflissen, versteckt Politikernamen in eine juristisch unangreifbare Möglichkeitsform, packt aus mit Showbiz-Namen und der Tatsache daß...
Die Boulevard-Maschine läuft wie geschmiert. „Pfui, Rosa! Schwulen-Verrat im TV“, schimpft 'Bild‘, und Chef Tiedje greift gleich selbst zum Kommentargriffel: „Ein Fernsehskandal erster Ordnung!“ Der Vorwurf der Boulevardpresse, ganz beleidigt aus der zweiten Reihe: „Schwüle Gerüchte — ein bißchen bleibt immer hängen“, kommentiert ebenfalls die 'B.Z.‘. Nicht ohne Heuchelei, denn damit was hängen bleibt, bringen 'Bild‘ und 'B.Z.‘ die vermeintlichen und sicheren Homos noch einmal in Text und Bild.
Von Praunheim selbst, in den Medien gerne und dennoch falsch als Kopf der Schwulenszene vorgeführt, ummäntelt sein oberflächliches namedropping mit ideologischem Auftrag: „Ich will gegen die Diskriminierung der Homosexuellen und die Verlogenheit der Öffentlichkeit kämpfen.“ Da mag der „Kampf“ in eigener PR gelungen sein, mit dem Ringen der Schwulenbewegten um das Für und Wider des Outing als politischer Strategie hat der Alleingang des Filmemachers nichts zu tun. Die gay community in den USA wußte, warum sie zum Outing als vorläufig letztem Mittel im Kampf um Öffentlichkeit in der dortigen Aids-Krise greifen mußte. Die verschärfte Situation dort ist mit der deutschen jedoch nur entfernt zu vergleichen. Hier bläst den Lesben und Schwulen der Wind einfach nicht derart hart ins Gesicht.
Die Spannung zwischen Boulevard und politischem Kampf, die dem Outing innewohnt, hält Praunheim nicht aus. Er schlägt sich, übrigens nicht zum ersten Mal, auf die auf andere Seite und erledigt deren Geschäft zum Dumpingpreis. Sich dabei auch noch auf jene zu berufen, die er seit Jahren nur als Manövriermasse im eigenen Geschäft mißbraucht, ist barer Etikettenschwindel. Elmar Kraushaar
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen