Gibt es ein Hirschfeld-Revival?

■ An Berlins Humboldt-Uni soll ein „Institut für Geschlechter- und Sexualforschung“ gegründet werden

Berlin (taz) — 15 Wissenschaftler und WissenschaftlerInnen planen in Berlin die Einrichtung eines „Instituts für Geschlechter- und Sozialforschung“ im Sinne Magnus Hirschfelds. Hirschfeld hatte 1919 das erste — allerdings außeruniversitäre — Institut für Sexualforschung in Berlin errichtet, das 1933 von den Nazis geschlossen wurde.

Das neue interdisziplinär angelegte Institut soll am sozialwissenschaftlichen Fachbereich der Humboldt-Universität (HUB) im Ostteil der Stadt angesiedelt werden. Sexualwissenschaft solle „nicht im herkömmlichen Sinne als eine mehr oder weniger vom Geschlechterverhältnis abstrahierende Forschung weiterbetrieben“ werden, heißt es in einem Memorandum für das Institut. Die in 15O Jahren gewachsene Kritik an der Sexualwissenschaft müsse „aufgenommen“ werden, bestimmend für die Arbeit müsse die „Erkenntnis“ sein, daß die Geschlechterverhältnisse „Gewaltverhältnisse“ seien sowie „gesellschaftlich konstruiert und patriarchal und hierarchisch strukturiert“.

Betrieben wird die Idee maßgeblich vom wegen Stasi-Verdachts gekündigten Rektor der HUB, Heinrich Fink, den 15 ForscherInnen sowie dem seit 1982 bestehenden Magnus-Hirschfeld-Institut. Die Hirschfeld-Freunde setzen sich schon seit Jahren für die Erfüllung des Vermächtnisses des Forschers ein. Er hatte bestimmt, daß das Institutsvermögen zur Errichtung eines Lehrstuhls für Sexualforschung verwendet werden solle.

Vorgestellt wurde das Profil der geplanten neuen Einrichtung am Mittwoch abend bei einem Hearing an der HUB. Die Westberliner Frauenforschrin Christina Thürmer- Rohr betonte daß der „gesellschaftliche Ort für den forschenden Blick ein große Rolle“ spiele und kritisierte die Abspaltung der Praxis von der Forschung. Der Frankfurter Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch sprach von einer „andromorphen Sexualwisschenschaft“. Daß es auch um Wiedergutmachung an Hirschfeld und den verfolgten sexuellen Minderheiten gehe, betonte der Medizingeschichtler Günter Grau. Die Hamburger Sexualforscherin Margret Hauch forderte die Öffnung der Sexualwisschenschaft für feministische Forschungsansätze und der Bremer Soziologe Rüdiger Lautmann stellte die gesellschaftliche Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit in den Mittelpunkt. Begrüßt wurde das Projekt auch von Organisationen wie der Gewerkschaft GEW, der Gesellschaft für Sexualwissenschaft in Leipzig und dem Mädchenprojekt „Wildwasser“.

Widerstand gegen die Etablierung des Instituts war beim Hearing von den Medizinern und Biologen der HUB, vor allem aus dem Kreis um den umstrittenen Hormonforscher Doerner zu vernehmen. Doerner hat sich jahrzehntelang mit der „Heilbarkeit“ der Homosexualität befaßt. Sigusch betonte, daß er sich mit jemandem wie Doerner „nicht an einen Tisch setzen“ wolle. kotte