: Erleichterung
■ Das Brester Bündnis ist ein tatsächlicher Neuanfang und könnte stabilisierend wirken
Erleichterung Das Brester Bündnis ist ein tatsächlicher Neuanfang und könnte stabilisierend wirken
Rascher als erwartet tritt das Bündnis von Brest doch eine Art Nachfolge der UdSSR an. Daß sich Kasachstan anschließen wollte, war absehbar. Es ist die Republik mit dem höchsten Anteil von Russen. Bei einer völligen Lösung von Rußland bestand die Gefahr einer Abspaltung des überwiegend russischen Nordens. Alle mittelasiatischen Republiken sind überdies so stark mit der bisherigen Union verflochten, daß sie ohne „sowjetische“ Anlehnung kaum existieren könnten.
Die gemeinsame mittelasiatische Forderung auf Anerkennung als Gründungsmitglieder mit gleichen Rechten ergibt sich aus den bisherigen Unabhängigkeitsbestrebungen. Gründungsmitgliedern kann man überdies keine schweren oder beleidigenden Bedingungen stellen. Beruhigend wirkt das von den mittelasiatischen Staatschefs formulierte Begehren nach militärischer Koordinierung. Die angestrebte strategische Eingreifreserve könnte vor kriegerischen Angriffen schützen. Zwar ist von außen her gegenwärtig keine Bedrohung zu erkennen — weder der Iran, noch Afghanistan stellen bislang territoriale Ansprüche. Aber Hilflosigkeit könnte nachbarschaftliche Begierde wecken. Das gilt auch für die ehemaligen Sowjetrepubliken untereinander. Die mittelasiatischen Grenzziehungen Stalins als willkürlich zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung, und auch künstliche Nationalstaaten sehen nur ihren eigenen territorialen Bestand als sakrosankt an. Vor allem ist die Forderung nach gemeinsamer und einheitlicher Kontrolle der Atomwaffen erfreulich. Es gäbe wieder identifizierbare Verantwortliche für dieses Teufelszeug. Wenn es dann noch gelänge, den militärischen Privathandel mit atomarem Rüstungsgut zu verhindern, könnte die Welt aufatmen. Endlich bringt das neue Gebilde für die beteiligten Staaten auch wirtschaftliche Vorteile. Die Märkte werden erst jetzt im technischen Sinne zu einer realistischen Perspektive. Wenn es trotz der wirtschaftlichen Strukturkrise zur Reform kommt, könnte sich die Situation in der ehemaligen Sowjetunion stabilisieren.
Allerdings wird das neue Bündnis bisher nur von wirtschaftlicher und politischer Vernunft zusammengehalten. Es bleibt daher prekär. Diktaturen, die sich auf die leidenschaftliche Zustimmung der Volksmassen stützen, könnten es rasch scheitern lassen. Denn Staaten, die gemeinsame Institutionen schaffen, büßen Handlungsautonomie ein; bei der aber wollen die ehemaligen Sowjetrepubliken gerade keine Einschränkungen dulden. Bruchstelle des neuen Gebildes sind aber nicht nur die durch Symbole belegten Nationalgefühle. Bruchstelle ist auch der mittelasiatisch-europäische Gegensatz, der eine Erinnerung an koloniale Diskriminierung aufbewahrt. Erhard Stölting
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