piwik no script img

Ostjerusalem wird zur Sollbruchstelle

■ Kein Fortschritt in Washingtoner Nahostgesprächen/ Israels Siedlungspolitik heizt Lage in besetzten Gebieten weiter auf/ Palästinensische Delegation wird „Ostjerusalem-Frage“ thematisieren müssen

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die bilateralen Nahostgespräche in Washington wurden über das Wochenende unterbrochen und sollen am Montag fortgesetzt werden. In der Zwischenzeit wollen sich die Delegationen beraten. Die israelischen Unterhändler, die ursprünglich gestern nach Israel zurückkehren sollten, haben von Ministerpräsident Schamir die Genehmigung erhalten, ihren Aufenthalt bis Mitte nächster Woche zu verlängern. Ein vorzeitiger Abbruch der Gespräche nach der fünftägigen Verzögerung des Verhandlungsbeginns durch Israel hätte nach Schamirs Aussage „keinen guten Eindruck in der Öffentlichkeit hinterlassen“.

Die bisherigen Sitzungen der israelischen Delegation mit den Libanesen und Syrern haben allerdings noch weniger Fortschritte gebracht als die israelisch-palästinensischen Streitgespräche auf dem Korridor des State-Department. Man konnte sich nicht einmal darüber einigen, worüber eigentlich verhandelt werden soll. Israel fordert von beiden arabischen Staaten, mit denen es außer mit Ägypten gemeinsame Grenzen hat, die volle Anerkennung und feste Zusagen für die Unterzeichnung bilateraler Friedensverträge. Da Israel aber Teile beider Staaten besetzt hält, nämlich die syrischen Golanhöhen, die sogar annektiert wurden, und den Süden des Libanon, bestehen die jeweiligen arabischen Delegationen darauf, daß das Prinzip „Land gegen Frieden“ und die entsprechenden UN-Resolutionen zum Rückzug Israels Grundlage der Gespräche sind. Zur Resolution425, die den Rückzug aus dem Libanon verlangt, ließ Israel durch seine Delegation lediglich erklären, sie sei nicht Grundlage dieser Gespräche. Zu den Resolutionen 242 und 267, die sich auf den Rückzug aus „1967 besetzten Gebieten“, also auf den Golan, die Westbank, den Gazastreifen und den Sinai beziehen, bleibt die israelische Regierung bislang bei der wenig tragfähigen Auffassung, daß Israel seine Pflicht bereits durch den Rückzug aus dem Sinai 1975 bis 1981 erfüllt habe.

Neben der allzu durchsichtigen Auslegung der Resolutionstexte durch die israelische Regierung trug auch die syrische Weigerung, über die Lage der Juden in Syrien zu sprechen, dazu bei, daß die Gespräche nicht vom Fleck kamen. Es wird kaum ein Weg daran vorbeiführen, die Vermittlung der US-amerikanischen Gastgeber in Anspruch zu nehmen, um Bewegung in die völlig festgefahrenen Gespräche zu bringen. Doch würde die israelische Regierung es in diesem Fall vermutlich vorziehen, die Gespräche zu unterbrechen.

Nach den „Korridorgesprächen“ von Jordaniern, Palästinensern und Israelis über die Frage, ob mit den Palästinensern separat zu verhandeln sei, sollen nun Papiere über mögliche Kompromißlösungen ausgetauscht werden. Israel besteht darauf, daß Palästinenser und Jordanier eine Delegation bilden. Möglicherweise sollen nun Eröffnungsgespräche mit der gemischten Delegation gehalten werden, um anschließend „Arbeitsausschüsse“ zu bilden, in denen die jordanischen oder palästinensischen Gesprächspartner der Israelis jeweils die Delegationsmehrheit bilden — je nach Thema.

Die palästinensische Delegation gab sich optimistisch. Hanan Aschrawi erklärte: „Wir werden diese Hürde nehmen.“ Doch sobald die Gespräche beginnen würden, käme die israelische Siedlungspolitik in der Westbank und im Gazastreifen auf den Tisch. Wollen die palästinensischen Delegierten nicht riskieren, daß die Bewohner der besetzten Gebiete ihnen allmählich die Legitimation zu diesen Verhandlungen entziehen, wird ihnen auch gar nichts anderes übrig bleiben, als dieses heiße Eisen sofort anzufassen. Der provokante Beschluß der israelischen Regierung, zum Jahrestag der Intifada Anfang dieser Woche einer Gruppe von Siedlern den Einzug in ein weiteres altes Viertel Ostjerusalems zu genehmigen und eine bereits seit vierzehn Tagen über die Westbank- Stadt Ramallah verhängte Ausgangssperre, haben die politische Situation in den besetzten Gebieten weiter aufgeheizt. Diese Politik nährt die ohnehin vorhandenen Zweifel der Palästinenser über den Sinn einer Beteiligung an den Nahostverhandlungen, solange nicht wenigstens ein vorübergehender Stopp der Siedlungspolitik zugesichert ist.

Feisal Husseini, Leiter des Ostjerusalemer Büros der palästinensischen Delegation, erklärte bereits vorgestern öffentlich, daß die israelische Regierung seine Delegation damit gezwungen habe, auch die Frage des von Israel besetzten und annektierten Ostjerusalem auf die Tagesordnung zu setzen. Bislang hatten sich die Palästinenser damit abfinden müssen, daß die Debatte über diese Frage in israelisch-amerikanischem Einverständnis auf „einen späteren Zeitpunkt der Verhandlungen“ verschoben wurde. Gestern demonstrierten Palästinenser vor dem Weißen Haus gegen die Siedlungspolitik.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen