: Weizsäcker: Dem DDR-Erbe stellen
Düsseldorf (ap/dpa/taz) — Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat am Freitag an die Deutschen in West und Ost appelliert, mit ihrer Vergangenheit ins reine zu kommen. Nur so sei wirkliche Einheit zu erreichen, sagte der Bundespräsident bei der Entgegennahme des Heinrich- Heine-Preises in Düsseldorf. Der Westen dürfe sich nicht vom Erbe der früheren DDR freizeichnen, sondern müsse sich dem „historischen Lastenausgleich“ stellen. Der Bundespräsident warnte vor einer vorschnellen Amnestie möglicher Stasi- Täter: „Sie würde sich wie eine Amnesie über das Unrecht legen“.
Wichtig sei zudem die Einsicht der Westdeutschen, daß sie sich unter den Bedingungen des SED-Staates nicht anders verhalten hätten als die Deutschen im Osten. Bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit spielten die Akten der Staatssicherheit zwar eine wichtige Rolle, hätten jedoch „keine unantastbare Autorität“ für jeden Fall, mahnte Weizsäcker. Auch dürfe niemand durch einen Verwaltungsakt aufgrund von Stasi- Akten schlechter gestellt werden als in einem Verfahren vor dem Strafrichter. Weizsäcker appellierte auch an die Bürger der früheren DDR, eigene Schwächen, Versagen und Schuld zuzugeben und einzusehen. „Die Kraft zur Einsicht kann Wunder bewirken. Sie bedeutet nicht den Ausschluß, sondern sie bietet den tiefsten Ansatz für die Chance zu einem neuen Anfang.“
In seiner Laudatio auf den Bundespräsidenten hatte der Tübinger Literaturwissenschaftler Prof. Hans Mayer zuvor erklärt, dieser sei „ein Meister der deutschen Rede“ in einem Land, in dem man im Gegensatz zur europäischen Tradition die Rhetorik stets mißachtet habe. Die Preisvergabe im Namen des leidenschaftlichen Oppositionellen Heinrich Heine an Weizsäcker als höchsten Repräsentanten dieses Staates war im Vorfeld verschiedentlich auf Kritik gestoßen.
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