: Jazz im Krankenhaus
■ Ungewöhnliches 4tägiges Jazz-Festival im „Haus im Park“ in Bremen-Ost
Mann mit
Trompete
Uli Beckerhoff F.: SaHe
Abends bei Kälte und Dunkelheit auf dem Gelände des Zentralkrankenhaus Bremen Ost nach dem „Haus im Park“ zu suchen — das paßt nicht so ganz ins Weltbild des coolen Jazzfans, und so waren am Samstag abend die Stuhlreihen bei Konzertabend mit Uli Beckerhoff und Klaus Freys Band zuerst nur sehr spärlich besetzt. Bei mehr Mitwirkenden als zahlenden Gästen wollte auch keine rechte Stimmung aufkommen, obwohl der schöne Raum in der alten Jugendstilvilla wie geschaffen für solche Konzerte war, und Uli Beckerhoff im Trio mit Frank Wund am Piano und Detlev Beier am Kontrabass fast ausschließlich wohlklingend, traurige Balladen spielte, mit denen er die Grundstimmung des Ortes und des Momentes harmonisch aufnahm und verstärkte.
Ohne die sonst bei ihm üblichen elektronischen Verfremdungen seines Trompetensounds klang er diesmal anders als gewohnt: unerwartet gefühlvoll, sanft und verletzlich; und die warm nachhallende Akustik des Raumes mit der hohen, gewölbten Holzdecke veredelte seinen Ton aufs angenehmste. Auch Wund und Beier waren zumindest an diesem Abend eher romantisch gestimmt, und so fehlte unter den schönen alten Klassikern wie „On Green Dolphin Street“ oder „My Funny Valentine“ nur Ellingtons „In a Sentimental Mood“, um den Auftritt mit einem Songtitel auf den Punkt zu bringen.
Auch am Vorabend hatte Ed Kröger vor nur vierzig zahlenden Gästen gespielt, aber der Festivalorganisator Stefan Ulig war dennoch ganz zufrieden mit dem Ablauf der Veranstaltung. Das Kreativbüro der Klinik, eine in Deutschland einmalige Einrichtung, präsentiert die 4tägige Konzertreihe, um das Krankenhaus in das kulturelle Leben des Stadteils und ganz Bremens einzugliedern und den Berührungsängsten vor dem oft abschreckenden Nimbus der psychiatrischen Klinik entgegen zu wirken.
Als etwa um halb zehn die Band des Saxophonisten Klaus Frey begann, ihren viel fetzigeren Jazz zu spielen, und dabei oft wie die Hardbopkapellen von Art Blakey oder Horace Silver klang, waren die Stuhlreihen doch noch gut gefüllt. Viele waren allerdings extra um diese Zeit gekommen, um Uli Beckerhoff zu hören, denn er war für 21.30 Uhr angekündigt — ärgerlich, aber bei einem Erstlingsfestival zu entschuldigen. Heute abend im „Haus im Park“: um 20.00 Uhr die Gruppe des Pianisten Klaus Möckelmann „Toys“, um 21.30 Uhr das Eckhard Petri Trio. Und wer wie ich etwas früher geht (um sich zur Bushaltestelle zu sputen), kann draußen noch ein ganzes Stück Weges lang die Musik hören, die immer leiser im düsteren, kalten Winter verklingt: Jazz im Krankenhaus.
Willy Taub
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen