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Klobiges Kloppen beim Männersport

■ Mehr krakend als kunstvoll trennten sich die Handballer von Blau-Weiß Spandau und dem TBV Lemgo 22:22 (9:11)/ Der mögliche Sieg blieb am großen Zeh hängen.

Charlottenburg. Im Dunstkreis der Handball-Bundesliga soll es Menschen geben, die sich über die neue Garderobe der blau-weißen Spandauer lustig machen. Gut, die Tatsache, daß sie die gleiche Exklusivkollektion eines Herzogenauracher Herstellers tragen, welche beim Fußball nur den Bayern zusteht, entbehrt nicht einer gewissen Komik; nur zu noch derberen Scherzen animiert das auf dem linken Ärmel jedes Spielers aufgenähte große gelbe Quadrat mit dem Dreipunktgesicht des heißgeliebten Olympiamaskottchens.

Daß die Spandauer bis jetzt beim Abenteuer Bundesliga zumindest teilweise den Durchblick bewahrt haben, wollten sie beim letzten Heimspiel des Jahres gegen den sehr auswärtsstarken TBV Lemgo möglichst vielen BesucherInnen zeigen. Mit dem Machen klappte es zwar nicht so wie mit dem Wollen, aber egal, der Besuch eines Spandauer Spieles lohnt sich allemal.

Aus gutem Grund. Neben einem schon fast regelmäßig nervenzerrüttend spannendem Spiel soll mit allerlei leiblichen Genüssen das Volk gelockt werden. Durfte gegen den THW Kiel das Publikum umsonst frühstücken, diesmal wurden — in gehöriger Vorweihnachtsart — 2.200 Menschen mit Punsch getränkt sowie Christstollen und Ochsenkeule gemästet. Letztere fehlte den Spandauer Spielern allerdings nachhaltig, um gegen den TBV Lemgo beide Punkte zu behalten. Das erreichte Unentschieden ist trotzdem als Erfolg anzusehen, haben die Gäste aus dem Westfälischen bisher schon acht Punkte aus fremden Hallen mopsen können.

Und zeigten auch gleich warum, da sie eine der unangenehmsten Abwehrreihen der Bundesliga besitzen. Mit ihren langen Armen umkrakten dort die mehr als zwei Meter großen Zerbe, Bezdicek und Kempinger ohne Erbarmen ihre meist hilflosen Gegenspieler, besonders der dagegen zwergenhaft wirkende Spandauer Rückraum hatte sehr darunter zu leiden. Nicht selten landeten Nagora oder Schewzow im unfreiwilligen Würgegriff. Blau-Weiß-Coach Uwe Janke kommentierte dazu: »Handball ist eben ein Männersport!« Richtig, es war ein sehr klobiges Spiel, die Herren Schiedsrichter mußten mehr schreiben als pfeifen. Rein statistisch gesehen, waren 20 Zeitstrafen, ebenso viele Siebenmeter und drei rote Karten zu bewundern.

Lemgos Trainer Lajos Mocsai durfte anschließend treffend bemerken, daß in der zweiten Hälfte kein richtiger Handball mehr stattgefunden habe, vor allem weil die Mannschaften meist weniger Spieler als erlaubt auf dem Feld haben durften. Was sicher den Spandauern zugute kam, da sie wesentlich weniger unter diesen Umständen litten und somit die Gunst nutzten, erst den kurz nach der Halbzeit auf vier Tore angewachsenen Rückstand aufzuholen und zum Ende hin gar mit zwei Treffern in Führung zu gehen.

Nur genutzt hat's am Ende doch nichts. Denn ganz selten zeigten die Lemgoer, daß sie nicht nur kloppen können, sondern auch einige Spielzüge hervorragend beherrschen. Entweder narrten sie die sehr offensive Spandauer Deckung mit flinkem Kreisspiel oder simplem Freisperren der riesigen Rückraumwerfer.

Die Spandauer konzentrierten sich bei ihren Torversuchen mehr auf List und Tücke. Trauten sich Wigrim und Timm nicht zu einem ihrer atemberaubenden Pässe auf Außen oder an den Kreis, hieß die Devise: Irgendwie durchwursteln und auf den Siebenmeterpfiff warten. Neunmal konnte der erst 18jährige Stefan Kretschmar, bislang mit 48 Treffern bester Strafwerfer der Liga, ganz abgezockt verwandeln; nur den letzten, vier Sekunden vor Schluß, warf er Lemgos Torwärter Wiesner an den großen Zeh. Während dessen Mitspieler aus lauter Freude und Übermut einen großen Römerhaufen über ihrem Helden bildeten, mußte Spandaus Trainer Uwe Janke geschwind losflitzen, um seinen Unglücksraben zu trösten und vor echten Männertränen zu bewahren. Schmiernik

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