: »Zurück zur Ordinarienuniversität«
■ In der Technischen Universität scheiterte die Abstimmung über eine Hochschulstrukturreform
Charlottenburg. Die Sondersitzung des Akademischen Senats der Technischen Universität ging am Sonnabend aus wie das Hornberger Schießen. Versammelt hatte man sich, um endlich das zu beschließen, was seit zwei Jahren diskutiert wird: die große Hochschulstrukturreform. Ein Kompromißkonzept, in der vergangenen Woche verfaßt von sechs Vertretern der Reformfraktion, der konservativen und der liberalen Gruppe, lag auf dem Tisch. Der Schönheitsfehler bestand allerdings darin, daß dieser Entwurf schon im Vorfeld bei den unterschiedlichen Fraktionen als nicht konsensfähig abgelehnt wurde. Um eine Abstimmung zu verhindern, hätte es also nicht des Protestes der Studenten bedurft, die mit Handrasseln die Sitzung nach zwei Tagungsstunden für 30 Minuten unterbrachen. Nach der erzwungenen Auszeit einigten sich die zerstrittenen Parteien auf einen wahren Kompromiß. Am 15. und 16. Januar sollen an allen Instituten und Fachbereichen die zukünftige Hochschulstruktur vorgestellt und am 17. Januar auf einem Hochschultag breit diskutiert werden. Zur Debatte steht ein Modell, das die TU mit ihren 40.000 Studenten vollständig umkrempeln könnte. Die jetzt vorhandenen 22 Fachbereiche sollen aufgelöst und in acht Fakultäten mit jeweils etwa 5.000 Studenten, 600 wissenschaftlichen Dienstkräften und rund 100 Professoren umgegliedert werden. Diese Fakultäten wiederum splitten sich in Institute auf, ähnlich wie die jetzigen Fachbereiche. Ohne allerdings über die jetzt noch gehütete Entscheidungskompetenz in bezug auf Geld und Planstellen verfügen zu können.
Die Vertreter der Reformfraktion kritisierten, daß diese neuen Fakultäten Riesenorganisationen werden könnten, die — wie in alten Zeiten, vor 1967 — streng hierarchisch und administrativ geführt würden. Das Stichwort der studentischen Kritiker hieß deshalb auch »zurück zur Ordinarienuniversität«.
Mit der Renaissance von Magnifizenzen-Herrlichkeit könnten die Konservativen im Unterschied zu den Reformern gut leben, wenn nicht in dem Konsenspapier ein Pferdefuß versteckt wäre. Die Reorganisation von Fakultäten und Instituten soll nämlich durch eine neue Ebene, den »Studienbereichen«, ergänzt werden. Diese 20 bis 30 den Fakultäten untergeordneten Studienbereiche, die die jetzigen 90 »Studiengänge« ersetzen sollen, erhalten nach dem Modell eine wesentliche Kompentenz der alten Fachbereiche: das Recht, die Studien- und Prüfungsordnungen autonom festzulegen. Möglich ist aber diese Errichtung einer neuen, vertikal organisierten Entscheidungsebene nur, wenn das Berliner Hochschulgesetz entsprechend novelliert wird. Gegen diese Studienbereiche, ein Modell, das in den Vereinigten Staaten, aber auch in der Schweiz schon lange praktiziert wird, sperren sich aber die Konservativen im Akademischen Senat.
So etwas habe es noch nie gegegeben, sagen sie hinter vorgehaltener Hand, und fürchten, daß in Zukunft nicht mehr sie, sondern interdisziplinär arbeitende Gremien die Lehrinhalte für die Studenten festlegen werden. Und deshalb ist, trotz des Bonbons »Ordinarienuniversität«, das vorgelegte Strukturmodell, das die Trennung von Forschung und Lehre beinhaltet, für sie untragbar.
Mißtrauisch macht die Konservativen auch, daß die Studenten wiederum genau diese Studienbereiche schon seit Jahren wollen. Das Studium würde endlich überschaubarer und der patriarchalischen Fürsorge der Professoren — nach dem geltenden Motto »ich weiß, was für euch gut ist« — entzogen sein. Auch die Einrichtung von Studienberatern, die die Lehre koordinieren und bewerten, würde ihnen gefallen. Protestiert haben sie bei der Sitzung des Akademischen Senats gegen die Umstrukturierung, weil sie befürchten, daß das Modell »Ordinarienuniversität mit großen Fakultäten« sofort umgesetzt werden könnte. Der eigentliche Clou aber, die Einrichtung von Studienbereichen — weil der Gesetzgeber zustimmen muß —, auf den St. Nimmerleinstag verschoben werden könnte. aku
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