KOMMENTAR: Brandenburger Befinden
■ Steine auf dem Weg zur Vereinigung mit Berlin
In diesen Zeiten gegen Einheit zu sein mutet schon seltsam anachronistisch an. Und so ist man leicht geneigt, die Vorbehalte der Brandenburger gegen ein gemeinsames Land mit Berlin als märkische Bockigkeit zu belächeln, zumal in Potsdam nicht gerade mit einer Zunge gesprochen wird. Was vom Ministerpräsidenten des Sonntags in seinen Reden begrüßt wird, wird des Montags wieder von seinem politischen Umfeld relativiert. Doch auch den größten Autonomie-Befürwortern ist einsichtig, daß an einem gemeinsamen Bundesland kein Weg vorbeiführt, will man die Fehlentwicklungen der Bremer und Hamburger Region vermeiden. Auch lassen sich schwerlich landsmannschaftliche Gründe für eine Brandenburger Eigenständigkeit ins Feld führen, denn die Region war immer schon auf die Metropole in ihrer Mitte bezogen.
Was bleibt, ist das jahrzehntelang gewachsene Mißtrauen des darbenden Umlandes gegen eine überfütterte Metropole. Was bleibt, ist das Wissen um den kurzfristigen Nutzen des von Berlin so gefürchteten Speckgürtels. Er sichert dem Land Einnahmen, die auch der Prignitz oder der Uckermark zugute kommen können. Darin liegt Brandenburgs geringes Interesse an einer schnellen Vereinigung begründet. Die Zeit arbeitet für das Land und gegen die Metropole. Das hat auch der Senat erkannt. Er drückt aufs Tempo. Doch hat er noch keinen Mechanismus gefunden, den Prozeß zu beschleunigen. Dies wird ihm nur gelingen, wenn er sich die materiellen Sorgen und die politischen Vorbehalte der Brandenburger zu eigen macht und so im kleinen vollführt, was im großen nicht gelungen ist: die Teilung durch Teilen zu überwinden. Dieter Rulff
Siehe Bericht auf Seite 22
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