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Illegaler Markt wird nicht geduldet

■ Vor dem Krempelmarkt stehen viele Händler aus aller Welt, die sich keinen Stand leisten können

Tiergarten. »Der Polenmarkt ist wieder da«, schlagzeilte gestern eine Springerzeitung und rief damit böse Erinnerungen an vergangene Zeiten wach. Erinnerungen an polnische Männer und Frauen, die mit ihren prallen Reisetaschen rastlos durch die Stadt zogen, weil sie von der Polizei vom Platz am Reichspietschufer neben dem Krempelmarkt vertrieben worden waren. Erinnerungen an aufgepeitschte Berliner Bürger und Händler, die beim Wort Polenmarkt Gift und Galle spuckten und mit Unterschriftenaktionen nach dem starken Arm des Gesetzes und Sauberkeit und Ordnung riefen.

Der Platz, auf dem einst Hunderte von Polen ihre Waren auf Plastiktüten auf der Erde ausbreiteten und dort Kaviar, Kristallvasen und Wodka und Krakauer verkauften, ist schon lange verwaist. Das Areal ist von einem großen Metallzaun umgrenzt. Samstags und sonntags, wenn auf dem daneben gelegenen Krempelmarkt der Bär los ist, wird es auch draußen am Metallzaun am Reichspietschufer und in der Linkstraße eng. Hier stehen all die, die es sich nicht leisten können, auf dem Krempelmarkt einen Stand zu bezahlen: Zigarettenhändler, mit halb unter der Jacke verborgenen unverzollten Zigaretten-Stangen, Frauen und Kinder, die auf dem Boden hinter frischen Fischen, Spielsachen, Pullovern und Küchengeräten hocken. Sie kommen aus Polen, Rußland, Bulgarien und Rumänien, aber auch Deutsche, Ägypter, Griechen, Sudanesen, Libanesen, Vietnamesen und Türken haben sich hier aufgebaut. Daß sie sich nicht aus Jux und Dollerei die Beine in den Bauch stehen, sondern aus finanzieller Not, ist den meisten ins Gesicht geschrieben. Eine polnische Chemikerin berichtet, daß sie und ihr Mann schon lange arbeitslos seien. Das monatliche Arbeitslosengeld — beide haben zwei Kinder — reiche gerade dazu, um Miete, Strom und ein paar Lebensmittel zu bezahlen. Neben ihr steht eine alte Frau aus der Ukraine, die schon seit einem Jahr in Berlin von monatlich 400 Mark lebt. Ihre einzige Hoffung ist, einmal eine ausreichende Rente zu bekommen.

Die Polizei interessieren diese Nöte allerdings nicht. Am Samstag waren 28 Beamte im Einsatz, um die Händler zu vertreiben: 820 beschlagnahmte Stangen Zigaretten waren die Tagesausbeute. Gestern hielt sie sich nur deshalb zurück, weil wegen eines Fußballspiels keine Kapazitäten frei waren. »Wir dürfen den illegalen Handel, der seit Wochen immer mehr zunimmt, nicht dulden«, kündigte der zuständige Abschnittsleiter weitere Maßnahmen an. plu

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