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DIE FÜNFTE GEWALT — WEGE DURCH DEN MEDIENDSCHUNGEL Von Ben Vart

Wenn aus der Zeitung Buntes fällt, handelt es sich oft um „Supplements“ — Beilagen-Hefte zwecks Steigerung von Werbeerlösen und Stabilisierung von Auflagen. Erfolgreichster Vertreter dieser Printmedien-Gattung ist mit einer Wochenauflage von fast vier Millionen das Fernsehprogramm-Heftchen rtv. Zwischen rassistischer Bierreklame (siehe taz-Wahrheit vom 14.12.91) oder Werbung für allerlei lebensnotwendige Elixiere (von „2 x 300 Prostata-Kapseln (für) Blase — Prostata — Schließmuskel nur DM 100,00“ bis zur „Original Bad Wurzacher Gelenkschmiere — viel nachgeahmt, nie erreicht“) sind noch einige wenige Zeitungsspalten redaktionell zu füllen — bevorzugt mit Klatsch über und Statements von jenen TV-Fratzen, denen man schon abends nur mit einer rege genutzten Fernbedienung oder in einer benachbarten, guten Lokalität ohne Flimmerkasten zu entkommen trachtet. Ramona Leiß beispielsweise, die mit hartem „R“ und weicher Birne ohne jegliches Entertainment-Knoffhoff auch verlogene Dumpfschunkler als „Volksmusik“ bildschirm(un)gerecht präsentiert, was sie jetzt, in 'rtv‘, dürftig zu verteidigen trachtet: „Die volkstümliche Musik ist einfältig und der Konsument derselben — wozu ich mich auch selbst zähle — kann ja nur dumm sein.“ So dumm, daß bei der ganzen teutschen Volkstümelei schnell das zwei nur mit „und“ verbundene Hauptsätze trennende Komma der Einfalt zum Opfer fallen muß. „Mit nahezu väterlicher Güte wird uns ,Volkis‘ wenigstens eine Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit in einer kalten Welt bescheinigt... Der intellektuelle Mensch erteilt uns seinen Segen, wenn wir vom Naabtal bis zum Nordseestrand mitklatschten und ein bißchen Spaß haben.“ Genügsamkeit ist nur im materiellen Bereich eine Tugend, und so darf man den volkischen Volkis und den völkischen Völkis in Naabtal und Neandertal beim Mitklatschen bescheinigen, daß sie eine Klatsche haben, wenn sie sich mit nur „ein bißchen“ Spaß abspeisen lassen.

Auch liberale Wochenzeitungen aus Hamburg bieten ein Anzeigenumfeld auf Illustriertenpapier an. Vorne lamentiert Chefredakteur Theo Sommer (richtig, der aus Gremlizas „konkret express“) über Östliches („Wohin stürmst Du, Rußland — Moskau antwortet nicht“) und ein paar Seiten später Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff über die neue Armut in Berlin. Doch das Zeitmagazin hat Wichtigeres für den großbürgerlichen Leser anzubieten und teilt's gar gleich auf der Titelseite mit: „Ob Dackel oder Dobermann, was zieht der Hund von morgen an?“ Während man im gleichen Heft den wohl besten und wichtigsten Lesestoff, der dieswöchig in Deutschland veröffentlicht wurde, nämlich Fotos und Lebensgeschichten von ehemaligen polnischen Zwangsarbeitern, fast am Heftende versteckt, sind für den hundsgemeinen Schwachsinn von Schleifchen und Haarspangen für den verwöhnten „Yorkshireterrier P.“ bis zur lila Gummiwurst für „Zwergrauhhaardackel M.“ nicht nur teure Farbseiten reserviert, sondern auch Platz für ein modernes Hundemärchen. Das spielt, natürlich, in der Weihnachtszeit: „Und kalt war es — brrrrrr.“ Und schwachsinnig — bääääh. „In der Hundehöhle selbst ging es gemütlich zu... Großvater Hund sog an seiner Hundepfeife.

Steinbach vollendet: Und wenn sie sich bei der 'Zeitmagazin‘-Lektüre nicht totgelacht haben, dann kläffen sie noch heute.

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