300 Mal vom Fallturm gestürzt

■ Erste Bilanz der Bremer Schwerelosigkeits-Forschung / Weiterbau gefährdet

Zum 300. Mal ist gestern die Experimental-Kapsel im Bremer Fallturm auf ihren genau 4,74 Sekunden dauernden Flug durch die Schwerelosigkeit gegangen. Für den Leiter des „Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM), Hans J. Rath, gestern Anlaß genug, vor der Landespressekonferenz in luftiger Höhe von 120 Metern über dem Uni-Gelände eine erste Bilanz der Fallturm-Experimente zu ziehen.

„Sehr happy“ sei er über die Ergebnisse der ersten eineinhalb Jahre Bremer Schwerelosigkeits- Forschung im Fallturm. Statt der bis Ende 1991 geplanten 150 hätten bereits 300 Forschungs- „Flüge“ der Kapsel durch die 120 Meter lange Metallröhre durchgeführt werden können. Schon heute müßten Interessenten mit einem halben Jahre Wartezeit für ihr Experiment im Bremer Fallturm rechnen. Bereits im nächsten Jahr soll deshalb eine zweite Schicht eingeführt werden, um die Gesamtzahl der Flüge auf 450 zu erhöhen.

16 Forschungsvorhaben konnten bisher am ZARM durchgeführt werden. So wurde zum Beispiel zusammen mit der Universität von Tokio die Schwerkrafterkennung von Mikroorganismen untersucht. Oder eine Forschungsgruppe der Universität Madrid konnte das Verhalten von Flüssigkeitsbrücken in der Schwerelosigkeit studieren.

Eine Ausnahme bildete die Versuchsreihe des Bremer Raumfahrtkonzerns MBB-ERNO, in der im Fallturm die Form von Satelliten-Treibstofftanks optimiert werden sollte. „Bei 99 Prozent aller Experimente geht es nämlich um rein irdische Problemstellungen“, erläuterte Rath. So wurden zum Beispiel in mehreren Projekten die Verbrennungseigenschaften unter Schwerelosigkeit untersucht. Ziel ist dabei, Grundlagenerkenntnisse zu gewinnen, die unter Bedingungen der Schwerelosigkeit durch zahlreiche „Störfaktoren“ überdeckt werden. So hat zum Beispiel der große japanische Motoren-Konzern IHI die Verdampfungsbedingungen von Brennstofftropfen im Bremer Fallturm untersuchen lassen.

Im Unterschied zur Forschung in Weltraumlabors bietet der Bremer Fallturm erheblich schnelleren und billigeren Zugang zur Schwerelosigkeit. So kostet ein Fall-Experiment nur zwischen 3.000 und 7.200 Mark. Mit diesen Beträgen deckt die Fallturm- Betriebsgesellschaft fast alle laufenden Kosten. Konkurrenz hat sie dabei nur von zwei NASA- Falltürmen in den USA und einem 500 Meter tiefen Fallschacht auf der japanischen Insel Hokkaido.

Schwierigkeiten gibt es jedoch mit dem weiteren Ausbau des Fallturms. Für 6,2 Millionen Mark wollte Rath eigentlich schon 1992 eine Beschleunigungsanlage einbauen lassen, mit der die Flugzeit der Kapsel in der Schwerelosigkeit auf neun Sekunden verdoppelt werden könnte. Doch die zuständige Deutsche Agentur für Raumfahrtangelegenheiten (DARA) in Bonn gebe zwar 900 Millionen Mark dafür aus, „um mit der D2-Mission eine Woche lang im Weltraum experimentieren zu können“, für die Investition in tägliche Bremer Forschung je

Prof. Hans J. Rath, Vater des FallturmsFoto: Tristan Vankann

doch sei nichts mehr übrig. „Richtig ärgerlich“ findet das ZARM-Leiter Rath.

Der zuständige DARA-Abteilungsleiter für Forschung unter Weltraumbedingungen, Horst

hier bitte das

Portraitfoto von

dem Mann vor weißem

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Binnenbruck, verwies dagegen gestern gegenüber der taz darauf, daß die DARA trotz knapper Mittel bisher immerhin „rund 90 Prozent aller Bremer Fallturm-Experimente finanziert“ habe. Ase