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Viel Kohle für den lieben Gott

Der fromme US-Amerikaner David Wheaton gewann überlegen das Endspiel des Schauturniers um den Grand Slam Cup mit 7:5, 6:2, 6:4 gegen seinen gottesfürchtigen Landsmann Michael Chang  ■ Aus München Matti Lieske

Veranstalter Axel Meyer-Wölden mag es gar nicht gern, wenn jemand etwas Despektierliches über seinen schönen Grand Slam-Cup sagt. Während der Woche berief er extra eine Pressekonferenz ein, um sich über die Negativberichterstattung zu beschweren, und darüber, daß immer nur über Geld geschrieben wird. Journalisten, die sich abfällig äußern, nimmt er sich gern höchstpersönlich vor und droht ihnen mit dem Entzug der Akkreditierung und rechtlichen Schritten. Auch am letzten Tag des Münchner Turniers wurde der mimosige Rechtsanwalt nicht müde, die Vorzüge der Veranstaltung zu loben und darüber zu schwadronieren, was für hervorragende Spiele den „Zusehern“ doch geboten worden seien.

Damit hat er ohne Zweifel recht. Es war, trotz des Ausfalls von Becker und Edberg, ein gutes Turnier mit einer guten Besetzung. Das Problem ist nur, daß dies den Initiatoren bei weitem nicht reicht. Die Internationale Tennis-Föderation (ITF) möchte die Veranstaltung gern zum welthistorischen Ereignis hochstilisieren und jeden Eindruck, es handle sich lediglich um ein lukratives Schauturnier, schnellstens verwischen. Die Spieler tragen brav ihr propagandistisches Scherflein bei, werden sie doch hofiert wie nirgends sonst auf der Welt und haben nichts zu verlieren als ihre Preisgelder.

Doch gutes Tennis allein reicht nicht, um auch nur annähernd den Rang eines Top-Events zu erreichen. Das bieten die „Exhibitions“ ebenso, und die etwas absurde Idee, die sechzehn besten Spieler der Grand Slam- Turniere einen Cup ausspielen zu lassen, wird dadurch nicht schlüssiger. Mit den sechs Millionen, die es für die Teilnehmer in München zu verdienen gibt, würde jeder Ausrichter eines Schauturniers ein ebenso exzellentes Feld zusammenkriegen, und gäbe es beim Grand Slam-Cup nur die Hälfte, käme wahrscheinlich auch nur die Hälfte der qualifizierten Spieler.

Ins Finale kamen folgerichtig jene beiden Tennisprofis, die die Sache am ernstesten nahmen: David Wheaton, 17. der Weltrangliste, und Michael Chang, der 15., nebenbei auch die beiden größten Frömmler im Tenniszirkus. Beide haben ein gutes, aber kein großes Jahr hinter sich, und während München für die meisten anderen nur eine güldene Station auf dem Weg zu den Australian Open war, sahen sie den Cup als möglichen Höhepunkt ihrer Saison, auf den sie sich „hart vorbereiteten“ (Wheaton). Chang reiste schon vier Tage vor Beginn an und trainierte täglich mehrere Stunden in der Olympiahalle, um sein Spiel dem schnellen Boden anzupassen.

Das gelang ihm, wie sich im gewonnenen Halbfinale gegen Lendl erwies, ganz vorzüglich. Er spielte wesentlich aggressiver als gewöhnlich und startete gegen Lendl 105 Netzangriffe — geradezu sensationell für einen Spieler, der sonst nur bei Feuer und Erdbeben die Grundlinie verläßt. Auch gegen Wheaton gehörte ihm im Prinzip der erste Satz. Dank seiner immensen Schnelligkeit erlief er fast jeden Ball, setzte seinen 22jährigen Kontrahenten mächtig unter Druck und returnierte mit einer Präzision und Härte, wie sie normalerweise nur die Absolventen der legendären Tennisakademie von Shao- lin an den Tag legen.

Was Wheaton jedoch immer wieder rettete, war sein Aufschlag. Das wichtige Break wollte Chang nicht gelingen, und nach und nach kam der Mann mit dem ekelhaften Stars'n- Stripes-Stirnband, der sein Racket vor dem Aufschlag in Anschlag bringt wie Rambo seine Maschinenpistole, besser ins Spiel. „Wenn jemand so gut aufschlägt und dann auch noch großartig returniert, ist es schwer, zu gewinnen“, sagte der 19jährige Chang später. Mit 5:7 verlor er den ersten Satz, ließ dann nach, gab den zweiten mit 2:6 ab und geriet auch im dritten schnell mit 1:4 in Rückstand. Ein Break zum 3:4 ließ noch mal die Hoffnung auf eines der berühmten „Michael-Chang-Comebacks“ (Wheaton) keimen, doch als Wheaton weitere Breakbälle abwehrte und auf 5:3 davonzog, war die Sache gelaufen. 6:4 gewann er den dritten Satz und damit die zwei Millionen Dollar Preisgeld für den Sieger.

Wohin ein Teil der Kohle gehen würde, war schon vor dem Finale klar. Während Pat McEnroe etwa ein Zehntel seiner 300.000 Dollar an soziale Projekte in New York und Umweltschutzorganisationen spenden wird, kam für die beiden Finalisten nur ein Adressat in Frage: der liebe Gott. „Ich werde einen Teil an christliche Organisationen in aller Welt spenden“, verkündete David Wheaton. Selig sind die, die armen Geistes sind. Zumindest wenn sie eine volle Brieftasche haben. Amen!

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