: EG-Kommission: EWR-Vertrag muß jetzt schnell nachverhandelt werden
■ EFTA-Länder fordern Schutz vor EG-Richtern, die ihrerseits um die Autonomie der EG fürchten
Brüssel/Bern (taz/ap) — Über den Vertrag für einen Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) muß neu verhandelt werden. Dies entschied die EG-Kommission am Sonntag, nachdem der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) den EWR-Vertrag als Verletzung von EG-Recht bezeichnet hatte (siehe taz vom 16.12.).
Umstritten ist, ob ein eigenständiger EWR-Gerichtshof mit dem Gründungsvertrag der EG vereinbar ist. Denn im Zweifelsfall, wenn es also zu Streitigkeiten zwischen EFTA und EG gekommen wäre, hätte sich die EG dem Spruch des EWR-Gerichtshofs zu beugen. Das Pikante an der EuGH-Einschätzung: Der gemeinsame Gerichtshof von EG und EFTA ist nach dem bisherigen Vertragsentwurf die einzige Institution, mit der die EFTA-Länder ihre Interessen gegenüber der EG hätten vertreten können.
Die EG-Kommission beriet am Sonntag hinter geschlossenen Türen über den Entscheid des EuGH. In einer anschließend verbreiteten Erklärung hält sie fest, daß sie nach wie vor an einem möglichst schnellen Abschluß des EWR-Vertrages interessiert ist, der ein „wichtiger Teil der europäischen Architektur“ sei.
Bemängelt haben die EG-Richter nicht die materielle Substanz des Vertrages, der eine Beteiligung der sieben EFTA-Staaten am europäischen Binnenmarkt vorsieht, sondern einen wichtigen Punkt im institutionellen Teil. Es geht um die Schaffung eines eigenen EWR-Gerichtshofes. Dieses aus fünf EG- Richtern und drei Vertretern der EFTA-Staaten bestehende Gremium sollte in erster Linie für Streitigkeiten zwischen Vertragsparteien und für die Interpretation der EWR-Vertragsbestimmungen zuständig sein. Das Abkommen gefährde die „Autonomie und Homogenität der EG- Rechtsprechung“, heißt es dazu in der 51 Seiten langen Stellungnahme des Gerichtshofs.
EG-Offizielle gaben nach der Dringlichkeitssitzung der Kommission bekannt, daß nun schnell mit den EFTA-Ländern nachverhandelt werden müse. Vor allem die Schweiz und Norwegen, als Länder, die nicht so bald der EG beitreten wollen, verlangen einen Schutz davor, daß in EWR-Fragen EG-Richter in ihre Länder hineinregieren können. Doch das gemeinsame Institut ist zunächst vom Tisch.
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