: Freizeitclown im Stasi-Heim
■ Auf einem Forum diskutiert die CDU ihre Vergangenheit
Dresden (dpa) — Das Dilemma der CDU mit ihrer Ost- Vergangenheit wurde am Montag in Dresden überdeutlich. In einer nachdenklichen, oft von persönlicher Betroffenheit gekennzeichneten Aussprache versuchten die Delegierten des CDU-Parteitages und Außenstehende, die Rolle ihrer Partei unter dem SED-Regime aufzuarbeiten. Gleichzeitig ging es den Teilnehmern des Parteitagsforums „Sich der Vergangenheit stellen — Vertrauen gewinnen“ darum, Kriterien für die Vergabe wichtiger politischer Ämter an ehemalige Mitglieder der Ost-CDU zu entwickeln.
In der von innerer Spannung geprägten Diskussion, bei der manche Redner ihre Emotionen kaum unterdrücken konnten, zeichnete sich eine unterschiedliche Beurteilung dieser Fragen durch die „Reformer“ ab. Sie empfahlen generell den aus der Vorwendezeit kompromittierten Politikern Zurückhaltung. Auf der anderen Seite plädierten vor allem langjährige Mitglieder der Block- CDU für eine individuelle Aufarbeitung der Partei-Geschichte. Vielfach verlangten sie auch, daß die Vergangenheitsbewältigung ebenso die West-CDU betreffen müsse.
Der sächsische Innenminister Heinz Eggert bezog eine deutliche Position: „Wer konform mit dem DDR- System gearbeitet und anderen den Mut genommen hat, sich gegen das System zu stellen, kann heute nicht von den Steuergeldern der ehemaligen Opfer bezahlt werden.“ Es sei schwierig, die Vergangenheit zu bewältigen in einem Land, „wo es angeblich 17 Millionen Widerstandskämpfer gab“, meinte er in Anspielung auf die Verdrängung der Vergangenheit.
Auch der frühere Vorsitzende des Demokratischen Aufbruchs und das heutige CDU-Mitglied Rainer Eppelmann sprach sich dafür aus, „die Altlasten mit dem Besen zu beseitigen“. Schuld gebe es aber nicht nur zwischen Elbe und Oder, sondern auch zwischen Elbe und Rhein. Der sächsische Minister und führende Kopf der Reformer, Arnold Vaatz, setzte sich nachdrücklich dafür ein, daß die CDU durch ihre Mandatsträger den Wandel deutlich erkennbar machen müsse. Es dürfe keine „Solidargemeinschaft der Täter“ geben.
Einen Höhepunkt der Betroffenheit der Diskussion in dem Forum, an dem teilweise auch Parteichef Helmut Kohl als Zuhörer teilnahm, gab es, als Vaatz den ebenfalls anwesenden umstrittenen Thüringer Ministerpräsidenten Josef Duchac direkt ansprach. Er habe Vorbehalte gegenüber denjenigen, die sich „vor erholenden Stasi- Leuten kulturell betätigten“, während er selbst wegen Widerstandes gegen das SED-Regime im Straflager seine Tage gezählt habe. Duchac wird unter anderem vorgeworfen, daß er früher als Freizeitclown in einem Erholungsheim für Staatssicherheitsleute aufgetreten sei. Unter Hinweis auf Duchac meinte auch Eggert: „Es gibt zwischen uns Klüfte, die sich auch aus unserer Biographie ergeben.“
Die Widersprüchlichkeit der Ost-CDU zeigte auch der Dresdner CDU-Kreisvorsitzende Dieter Reinfried auf, der seit 1970 Parteimitglied ist und heute zum Reformer-Flügel gerechnet wird. „Jeder mußte sich im klaren sein, daß die Block-CDU ein Instrument in der Hand der SED gewesen ist.“ Für viele sei die CDU „sogar schlimmer als die SED“ gewesen, berichtete er.
Duchac, der sich die Diskussion aus der zweiten Zuhörerreihe zunächst wortlos anhörte, ergriff erst fast zum Schluß das Wort: „Die Alt-CDU darf nicht gleich SED gesehen werden. Ich kann jedem Thüringer offen und ehrlich ins Gesicht sehen“, war sein Resümee der knapp vierstündigen Aussprache.
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