: EG-Partner lassen Bonn hängen
■ UNO, USA und mehrere EG-Mitgliedsländer kritisieren geplante Anerkennung von Slowenien und Kroatien/ Deutsch-französischer Kriterienkatalog für Anerkennung neuer Staaten in Europa
Brüssel (taz/afp/ap/dpa) — Nur eine Woche nachdem die Regierungs- und Staatschefs der EG-Länder in Maastricht feierlich eine gemeinsame Außenpolitik vereinbarten, ist die Jugoslawienpolitik der zwölf von völliger Uneinigkeit bestimmt: Mit ihrem Plan, Kroatien und Slowenien schnell anzuerkennen, ist die Bundesregierung in der EG offenbar weiter isoliert. Die Fraktion derjenigen, die sich gegen eine sofortige Anerkennung aussprechen, erhielt sogar noch potente Rückendeckung. Nach UN-Generalsekretär Perez de Cuellar mahnte auch US-Präsident Bush bei der Anerkennung zur Zurückhaltung. Aus Westslawonien wurde unterdessen ein weiteres Vordringen kroatischer Truppen gemeldet.
Genscher versuchte in Brüssel den Eindruck eines deutschen Alleingangs zu vermeiden. Gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Dumas hatte er bereits am Wochenende einen Kriterienkatalog für die „Anerkennung neuer Staaten“ in Europa vorgelegt. Darin werden die Anerkennung der UNO-Charta, der Schlußakte von Helsinki und der Charta von Paris durch die betroffenen Republiken als Voraussetzungen für eine Anerkennung genannt. Genscher hofft auf eine Verständigung über diesen Katalog. Weiterhin hofft er, daß die Republiken dies dann respektieren würden. Danach könne eine Anerkennung erfolgen.
Bei Beginn der gestrigen Beratungen sprach sich jedoch kein einziges EG-Land ausdrücklich für die deutsche Position aus. Selbst Italien — neben Bonn bislang stärkste Fürsprecherin einer schnellen Anerkennung — hielt sich zurück. Auch Belgien und Dänemark, die ebenfalls zu einer Anerkennung neigen, bezogen keine klare Stellung.
An Bonn orientieren will sich einzig das Nicht-EG-Mitglied Österreich, das vor Monaten als erstes europäisches Land eine Anerkennung seiner Nachbarn Slowenien und Kroatien erwogen hatte. Nach einer Stippvisite beim Dresdner CDU- Parteitag erklärte der konservative Außenminister Mock, „zwischen Mittwoch und Freitag“ sei eine Anerkennung durch „eine Reihe europäischer Staaten“ zu erwarten.
Nach einem Bericht der 'New York Times‘ sagte Bush am Sonntag: „Die UNO hat geraten, die Anerkennung zurückzustellen, und ich glaube, sie hat recht damit.“ Die 'Washington Post‘ zitiert Regierungskreise, wonach die Bush-Regierung die Verärgerung bei der UNO teile, daß Deutschland darauf bestehe, seinen eigenen Weg zu gehen.
Die UNO hatte am Sonntag in einer Resolution alle „Staaten und Streitparteien“ aufgefordert, von Aktionen abzusehen, „die zu einer Verstärkung der Spannung beitragen, die die Durchsetzung eines wirksamen Waffenstillstands behindern und eine friedliche Verhandlungslösung des Jugoslawienkonflikts erschweren oder verzögern würden“.
„Grundsätzlich“ sei auch die niederländische Präsidentschaft für die Anerkennung, sagte der Sprecher des niederländischen Außenministers Istha. Es komme aber auf den Zeitpunkt an und daß die zwölf die Anerkennung zusammen und im Rahmen einer umfassenden Friedensregelung beschließen würden. Problematisch sei, daß die Deutschen wahrscheinlich den Kriterienkatalog als Grundlage für die Anerkennung der beiden Republiken nehmen würden.
Serbische Medien erwarteten gestern triumphierend eine „deutsche Kehrtwendung“ wegen des massiven Drucks von UNO, USA und den EG-Partnern. Die Belgrader Zeitung 'Politika‘ sprach von einer „Koalition zur Abkühlung der Deutschen“, die den „einsamen Reiter aus Bonn“ in die Ecke getrieben habe.
In den Krisengebieten Kroatiens scheint eine Offensive kroatischer Truppen Fortschritte zu machen. Nach serbischen Angaben haben kroatische Einheiten im Gebiet Papuk südöstlich von Zagreb Gebietsgewinne erzielt. Bis zu 25.000 Serben aus diesem Gebiet seien auf der Flucht, hieß es. Radio Zagreb berichtete gestern erstmals von der „Befreiung“ und Inbesitznahme dieser kroatischen Territorien. dora
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen