: „Thoelke ist an allem schuld!“
■ Es ist ja so furchtbar: Ein Fernseh-Killer lieferte der taz ein erschütterndes Bekenntnis
Es muß endlich heraus. Ich will mich selber outen. Es muß sein. Nicht mal wegen meiner speziellen geschlechtlichen Neigung, darüber mag ich nicht sprechen, und das ist dann auch zu und zu eklich, aber dennoch: Ich kann nicht mehr. Ich packe aus.
Zu diesem schweren Schritt hat mir die 'Bild-Zeitung‘ verholfen, als sie vorgestern über die bitteren Folgen der letzten Wetten daß-Show berichtete: „Den breitschultrigen Rentner Arthur K. (71) ödete in seinem Einfamilienhäuschen (zwei Satellitenschüsseln auf dem Dach) schon diese erste Wette an.“ Nicht anders war es mir in meiner, nach dem neuesten innenarchitektonischen Aberglauben ausgestatteten Maisonette-Wohnung ergangen!
Seine rötlich-blonde Frau Irma (64) hat Arthur K. (71) dann angeherrscht: „Das ist mir zu langweilig. Schalt um!“ — Irma wollt nicht. Wollt noch die Lindenstraßen-Wette mit Mutter Beimer (52) sehen! Meine Freundin ist nicht rötlich-blond und auch nicht „(64)“, sondern „(das geht Sie gar nichts an)“ — aber leider, leider hab ich ihr fast so schwer geschadet wie Arthur seiner Irma. Der nämlich nahm das Beil und „hackte“ (O-Ton 'Bild‘) sie krankenhausreif. Ich dagegen habe meine Freundin nur gehauen. Aber sehr. Leider. Ich konnte Thomas Gottschalks debiles Gewäsch nicht mehr anders verarbeiten. Irgendwo muß die Kraft doch hin!
Und das war nicht der erste Fall. Am härtesten war es damals beim Goldenen Schuß, als Vico („Schmierlapp“) Torriani noch Petrr, den Bolzen biettäh! kreischte. Da habe ich einfach rotgesehen. Freundin hatte ich keine. Mußte ich mit Pfeil und Bogen — hab ich immer im Haus — den Hamster an die Wand tackern. Oder dann, mein Gott, ich schäme mich so: als Wim Thoelke im Großen Preis die „Master-Frage“ stellte: „Was schrieb Mozart am Ende seines Briefs vom 17.3. 1784 an seine Cousine, das ,Bäsle‘?“ Da habe ich ganz laut „Scheiße!“ geschrien, was zwar zufällig die richtige Antwort war — aber gleich drauf mußte ich, wie von einem dunklen Zwang geschoben, die Oma kopfunter ins Klo machen. Mit festgeklemmter Spülung. Dauerbetrieb. Sie hat nicht lang gelitten. Immerhin.
Frank Elstner war auch einer meiner Quälgeister. Als er wieder einmal ölte: „Herr B. mit seiner automatischen Aschenbecherleeranlage hat die Nase vorn!“ — ja, da habe ich meinen damaligen Nachbarn erschlagen. Er war Finanzbeamter, sah Elstner ähnlich und benahm sich auch so. Ich habe ihm ein Hart-Plastik-Nasenhörnchen in die Fontanelle gepickelt. War eklich. Aber ich konnte doch nicht anders!
Vielleicht kommt es auch alles davon, daß ich im „Katharineum zu Lübeck“ beschult wurde, seinerzeit. Auf den Turnhemden hatten wir eine einfache Abbildung von Schwert und Dornenrad, mit dem man früher gern die heiligen Katharinen und andere Unbelehrbare zur Vernunft brachte. Und weil es da einen Latein-Lehrer gab, der einem noch so richtig in die Fresse haute. Und einen Griechisch- Lehrer, der sogenannte Kopfnüsse austeilte. Vielleicht deshalb das alles. Es ist ja so furchtbar!
Ja gut, und als Hans Rosenthal — wenn ich schon mal beim Erleichtern meines Gewissens bin — noch lebte und immer schrie „Sie finden, das war Spitze!“ — da hat es meine damalige Ehefrau getroffen. Ich rammte sie in den Fernseher. Vorwärts. Mit dem Kopf zuerst. Nämlich: sie hatte gesagt „Du, Schatz, ich find den Rosenthal so menschlich!“
Das ist noch nicht mal alles. Aber ich kann jetzt nicht mehr beichten. Ich muß zum Fernseher. Unterhaltungssendung. Aber nicht so Zeug wie dieser Umschalt-Krimi am Sonntag. Wissen Sie, sowas Kriminales macht doch nur Freude, wenn man vollständige Tötungs-Nummern zu schmecken bekommt. Da darf ich doch gar nicht umschalten können, sonst hilft es nichts! Wirkt es nicht! Und aus der Sicht des Mannes im einen, aus der Sicht der Frau im anderen Kanal! Wo kommen wir denn da hin! Mord und Mordin, was? MörderInnen womöglich! Pah! Lächerlich!
Wo war ich? Ja, richtig: ich wünschte, ich wäre tot oder das Fernsehen bliebe aus. Oder Thoelke täte platzen. Oder Gottschalk ins Doofenheim kommen. Oder Elstner auf Rente. Und Lippert als Alleinunterhalter ins Altersheim. Karl Dall in die Spelunke. Dagmar Berghoff aufs Rad gefl... — Tschuldigung. Jetzt hätte ich es fast wieder gehabt. Wenn ich nur an diese Leute denke! Dann kommt's schon! Friedrich Nowottny, helfen Sie mir! Zeigen Sie immer nur noch Harald Schmid und Kerkeling. Von denen werde ich ruhig; mehr so heiter und besinnlich irgendwie. Oder das Fernsehen täte einfach wegbleiben. Bitte! Irgendwann! „Ich kann es nu bald nich mehr. Die Nerven sind zu kurz!“ (Buddenbrooks)K. Nothnagel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen