: Vom Albatros zum Albatrottel
■ Nach der 72:75-Niederlage gegen Limoges CSP 72:75 hat Alba Berlin kaum noch Chancen auf das Erreichen des Halbfinales im Europapokal/ Spielmacher Radovic verschlampte den Sieg
Berlin (taz) — Da standen sie nun, ließen vollkommen erschöpft die Flügel hängen, die Albatrosse aus Berlin, und hätten sich wohl aus lauter Wut am liebsten alle Federn herausgerupft. Soeben war ihr Europacupspiel gegen den französischen Vizemeister Limoges CSP beendet, 2.200 traurige Fans verließen die Sporthalle in Charlottenburg und dachten das gleiche wie ihre Lieblinge: Nur vierzig Sekunden hatten sie sich als Albatrottel aufgeführt, und schon war die Sensation futsch.
Ein Sieg der Berliner über den souveränen Spitzenreiter der fränzösischen Liga und mehrfachen Europapokalsieger wäre das Bonbon einer auch sonst äußerst ungewöhnlichen Partie gewesen, abgesehen davon, daß damit für Alba weiter die Möglichkeit bestanden hätte, die Endrunde des europäischen Wettbewerbs zu erreichen.
Diese ist für Limoges nun wieder nahegerückt. Denn beide Vereine standen vor diesem Spiel mit nur einem Sieg am Tabellenende ihrer Sechsergruppe. Die Franzosen allerdings überraschend, schließlich gehört die Mannschaft aus der Hauptstadt der Provinz Limousin auf dem Plateau de Millevaches zu den stärksten in Europa. Zu Saisonbeginn wurde NBA-Star Kelly Tripucka für ein Jahresgehalt von 700.000 Dollar verpflichtet, sein Landsmann Michael Brooks ist ebenfalls nicht als schwächlich zu bezeichnen; ganz zu schweigen von Stephane Ostrowski, der vor einigen Wochen während eines Schauturnieres in Paris im Spiel gegen die Los Angeles Lakers (noch mit Magic Johnson) 52 (!) Punkte erzielte.
Am Dienstag in Berlin erzielte aber ungewöhnlich lange niemand einen Punkt. Fast drei Minuten lang blieben die Spieler ohne erfolgreichen Wurf, sammelten dagegen fleißig Fehlversuche, ehe einer von ihnen seinen großen Abend begann. Ein flockigweicher Korbleger eröffnete die beeindruckende Vorstellung von Albas 2,17-Meter-Center Uwe Blab. Der früher in Dallas als Profi beschäftigte Rotschopf, im Sommer nach Berlin gekommen, neigte bisher mehr dazu, Leistungen dunkler Tiefe denn lichter Höhe zu zeigen; mit 24 hervorragend erspielten Punkten sowie zwölf souveränen Rebounds machte er diesmal sein Meisterstück für Alba.
Daß die Berliner dennoch am Ende um drei Punkte zu kurz kamen, lag garantiert nicht am Gegner. Schließlich spielten die französischen Körbler ebenso konstant rasant wie wechselhaft. Nach völlig verpennten ersten zehn Minuten, in denen sie schon mit sieben Punkten zurückfielen, sorgten Brooks und Ostrowski mit einem halben Dutzend Dreiern ganz allein für eine scheinbar beruhigende Führung, die ihre Kollegen veranlaßte, weiterhin regelmäßig den Korb zu verfehlen.
In diesen Taten wechselten sie sich fleißig mit den Albatrossen ab. Teilweise flappten diese recht unbeholfen über das Parkett, bevor Spielmacher Zoran Radovic sich zur tragischen Figur des Abends aufschwang. Ein ums andere Mal provozierte der jugoslawische Lausebengel Fouls der sehr energischen gegnerischen Preßdeckung, und kurz vor Schluß sorgte er mit riskanten Distanzwürfen sogar für die Berliner Führung.
Doch in den letzten vierzig Sekunden schien er von allen guten Geistern verlassen. Dreimal hintereinander verlor er bei eigensinnigen Dribblings den Ball und seine Mannschaft somit das Spiel. Allerdings fiel die Niederlage um zwei Punkte zu hoch aus. In einem kurzfristigen Zustand geistiger Verwirrung hatten die Zeitnehmer den Berlinern in der ersten Hälfte für einen Dreier zunächst nur zwei Punkte gegeben, auf Protest korrigiert, um den Punkt schließlich doch wieder abzuziehen. Fünf Minuten vor dem Ende gaben sie Limoges nach zwei vergebenen Freiwürfen zum Trost plötzlich einen zusätzlichen Punkt. Wohl als ausgleichende Gerechtigkeit, nur hatten die Herren zwischenzeitlich vergessen, für wen. Schmiernik
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