: Unruhige Zeiten in Liberia
■ Kein Ende des Bürgerkriegs in Sicht/ Schleppende Verwirklichung des jüngsten Waffenstillstandsabkommens verhindert Heimkehr der Flüchtlinge/ Angst vor Überfällen
Banjul (ips) — Auch nach der jüngsten Waffenstillstandsvereinbarung ist kein Ende des bereits zwei Jahre dauernden Bürgerkriegs in der westafrikanischen Republik Liberia abzusehen. Ende Oktober hatten die Bürgerkriegsparteien in Yamoussoukro (Côte d'Ivoire) die Entwaffnung der Kampfverbände vereinbart. Doch Rebellenführer Charles Taylor, dessen Nationale Patriotische Front (NPFL) weite Teile des Landes kontrolliert, ließ bislang wenig Kooperationsbereitschaft erkennen. Die Rückführung Hunderttausender Flüchtlinge ist vorläufig zum Stillstand gekommen.
Im Dezember 1989 hatte sich der Exminister Charles Taylor an die Spitze einer Rebellion gegen Präsident Samuel K. Doe gestellt, der seinerseits 1980 durch einen Militärputsch an die Macht gekommen war. Was als Aufstand gegen eine Diktatur begann, uferte rasch in einen ethnisch-religiösen Bürgerkrieg aus. Die Opferbilanz wird auf 100.000 bis 200.000 Menschen geschätzt. Hunderttausende Liberianer leben als Flüchtlinge im eigenen Land, über 750.000 Menschen sind nach Guinea, Sierra Leone und Côte d'Ivoire geflohen.
Im August 1990 beschloß die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS), eine Friedenstruppe (ECOMOG) nach Liberia zu entsenden. Doch auch den Kontingenten aus Nigeria, Guinea, Sierra Leone, Mali und Senegal gelang es nach mehreren Waffenstillstandsabkommen nicht, eine Normalisierung der Verhältnisse herbeizuführen.
In Monrovia amtiert seit Ende 1990 eine Interimsregierung unter Amos Sawyer. Weite Teile des Landes werden aber nach wie vor von Taylors Rebellen kontrolliert. Der am 29. Oktober in Yamoussoukro (Côte d'Ivoire) unter der Ägide der ECOWAS ausgehandelte Friedensprozeß kommt kaum voran.
Mitte November sollte die Entwaffnung und Kasernierung der feindlichen Kampfverbände unter ECOMOG-Aufsicht beginnen und innerhalb von 60 Tagen abgeschlossen werden. Damit sollten die Voraussetzungen für die im Mai 1992 geplanten Wahlen und für die Repatriierung der Flüchtlinge geschaffen werden.
Mittlerweile ist die Hälfte der Frist verstrichen, doch Rebellenführer Taylor war bisher nicht bereit, die Straßenverbindungen zu den zwölf Verwaltungsbezirken, die unter NPFL-Kontrolle stehen, zu öffnen. Taylor besteht auf mühsamen technischen Konsultationen mit ECOMOG-Kommandanten und Beamten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS). Die Folge: Die Flüchtlinge bleiben, wo sie sind.
Beobachter meinen, Taylor würde aus Angst um sein Leben vor einer Aufgabe seiner militärischen Bastionen zurückschrecken. Viele zweifeln aber mittlerweile daran, ob Taylor die 10.000 Mann starke, in Libyen ausgebildete Rebellentruppe noch unter seiner Kontrolle hat.
Verschärft wird Taylors Dilemma noch durch die konzertierte militärische und propagandistische Kampagne der Koalition der NPLF- Gegner, der „Vereinigten Befreiungsbewegung für Demokratie in Liberia“ (ULIMO), die die „Befreiung Liberias von Taylor“ auf ihre Fahnen geschrieben hat. Militärische Vorstöße an der Grenze zwischen Liberia und Sierra Leone werden von „Jetzt geht's dir an den Kragen“-Parolen in der Presse begleitet.
Gegenüber dem ECOMOG- Kommandierenden Generalmajor Ishaya Bakut versicherte die Koalition zwar, nichts zu unternehmen, was dem „herrschenden Klima des Friedens und einer Beilegung des Bürgerkrieges zuwiderlaufe“. Aus Kreisen in Guinea, wo ULIMO- Truppen stationiert sind, verlautet jedoch, daß Koalitionsführer Raleigh Seekie eine neue Offensive plant, sollten die Straßen weiter geschlossen bleiben.
Viele Liberianer betrachten diese Zuckerbrot-und-Peitsche-Politik der ULIMO als den einzigen Weg, um Taylor doch noch zur Räson zu bringen, zumal die diplomatischen Bemühungen mehr und mehr in eine Sackgasse zu geraten scheinen.
Der liberianische Übergangspräsident Amos Sawyer, dessen Regierung in Monrovia hinter dem ECOWAS-Friedensplan steht, hat sich den Appellen an Taylor, die Straßen bis Weihnachten freizugeben, angeschlossen. Der Massenexodus aus den NPLF-Gebieten nach Monrovia sei ein eindeutiger Beweis für den verzweifelten Wunsch der Menschen nach Frieden.
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