: Geschlecht & Gartenbau
■ Architektin erhielt Posten im Gartenbauamt / Unterlegener Kollege prozessiert
Ort des Geschehens: Das Sachgebiet „21“ im bremischen Gartenbauamt. Es heißt: „Planung von Grünanlagen, landschaftsbezogene Maßnahmen, Kinderspielplätzen...“ Bis zum 1.9.90 waren hier beschäftigt: Ein Sachgebietsleiter, sieben Mitarbeiterinnen, zwei Mitarbeiter. Zum 1.9.90 ging der Leiter in Ruhestand. Eine Stellenanzeige erschien, zwei Bewerbungen aus dem Sachgebiet 21 gingen ein. Die eine von einer weiblichen, die andere von einer männlichen GartenarchitektIn (Dipl.-Ing.). Eine Herausforderung im Amt: denn bisher kannten die GartenbauerInnen nur männliche Sachgebietsleiter. Eine Herausforderung, die der unterlegene Mitbewerber bis heute nicht verwunden hat. Er reichte Klage beim Arbeitsgericht ein und ist sogar bereit, bis zum Bundesarbeitsgericht zu gehen, um „Sachgebietsleiter“ zu werden. Eckhard K. am Mittwoch zur taz: „Ich fühle mich ungerecht behandelt.“
Eckhard K. ist seit 18 Jahren im Amt, saß bei seinem Sachgebietsleiter in den fast zwei Jahrzehnten mit im Zimmer und durfte diesen in den Urlaubszeiten auch vertreten. Eckhard K. betonte am Mittwoch im Flur des Landgerichts: „Ich habe alle schwergewichtigen Projekte übertragen bekommen. Ich habe jahrelang auf die Position hingearbeitet, mir sehr große Hoffnungen gemacht. Es hieß immer: 'Du kriegst die Stelle.'“
Chancen auf Beförderung rechnete sich aber auch seine Kollegin, die Gartenarchitektin Heike G., aus. Sie ist seit über 16 Jahren im Gartenbauamt und litt an der Ungleichbehandlung durch den Chef. Heike G. auf Nachfrage: „Die Projektvergabe im Sachgebiet ist nie in Frage gestellt worden. Wenn man die Aufgaben mir übertragen hätte, hätte ich die auch erfüllt. Aber Herr K. saß an der Quelle.“
Der Personalrat im Gartenbauamt votierte für Heike G. Die Frauenbeauftragte Hilde Bielke: „Erstens hat Frau G. die bessere Durchsetzungskraft. Zweitens ist sie kooperationsfähiger und hat mehr Engagement. Drittens gibt es bei uns im Amt noch keine Frau in einer solchen Position.“ Die PersonalrätInnen attestierten Heike G. die „gleiche Qualifikation“ wie ihrem Mitbewerber und stützen sich auf das Landesgleichstellungsgesetz. Danach sind „bei der Übertragung einer Tätigkeit in einer höheren Vergütungsgruppe Frauen bei gleicher Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber vorrangig zu berücksichtigen, wenn sie unterrepräsentiert sind.“
Der Amtsleiter, Dr. Rautmann, war anderer Meinung. (Genau wie übrigens auch die damals zuständige Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte). Dr. Rautmann: „Mir war wichtig, was schon an Erfahrung beruflicher Art erfolgt ist und nicht, was ich jemandem zutraue. Von letzterem hat sich der Personalrat leiten lassen.“
In der Schlichtungskommission herrschte zweimal Stimmenpatt. In der Einigungsstelle gab dann die Stimme des Vorsitzenden, des pensionierten Arbeitsrichters Jordan, den Ausschlag: Heike G. bekam den Posten.
Bis heute konnte Heike G. die Stelle aber nicht einnehmen. Denn per einstweiliger Verfügung erreichte Eckhard K., daß die Stelle solange vakant bleiben mußte, bis das Arbeitsgericht entschieden hatte. Anfang Dezember fiel die Entscheidung — pro Bewerberin.
Sofort rief K. die nächsthöhere Instanz, das Landesarbeitsgericht an. Das sollte jetzt entscheiden, ob Frau G. die vakante Stelle antreten darf, oder ob sie den Instanzenweg weiter abwarten muß. Arbeitsrichter Mario Nitsche sorgte für einen Vergleich: Heike G. darf die Stelle antreten, aber nur vorläufig. Die Kammer will binnen sechs Monaten im Detail beurteilen, ob die Voraussetzung der „gleichen Qualifikation“ gegeben war.
Die Frauenbeauftragte im Gartenbauamt, Hilde Bielke, befürchtet negative Folgen des langwierigen Instanzenwegs: „Frau G. wird langsam kaputt gemacht im Amt, weil die Amtsleitung den Mann mit aller Kraft möchte. Der Informationsfluß zu ihr klappt nicht, während er zu ihm hundertprozentig funktioniert.“ Barbara Debus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen