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Edelprofis besiegten Hobbyfußballer

■ Nicht gerade überraschend bezwang Fußball-Weltmeister BRD die Luxemburger Freizeitkicker mit 4:0 Nun können Spieler, Fans, Hools und Funktionäre ihre Koffer packen und eine Schweden-Reise planen

Leverkusen (taz) — War das eine Freude, eine Erleichterung. Ganz übermütig war Sepp Maier, der Torwarttrainer, gleich nach dem Schlußpfiff in den Umkleideraum gelaufen, hatte zum Kuli gegriffen und emsig zu rechnen begonnen. Bald schon war eine neue Tabelle geboren, und Maier hängte sie auf, damit auch ein jeder gleich sehe, was der Sieg bedeutet hatte. Maier hatte die Zahlen richtig addiert, was DFB-Pressesprecher Wolfgang Niersbach gar nicht wunderte: „Der Sepp war im Kopfrechnen schon immer stark.“ Maier also kam zum Ergebnis, daß Deutschland Gruppensieger geworden sei und somit für die Europameisterschaft qualifiziert. Und weil die Euro 92 in Schweden stattfindet, bedankte sich die Elf beim Kabinenchampagner spontan und richtig ausgelassen mit „Skol, und nicht Prost“, wie Niersbach gleich zweimal betonte, bis jeder diese pfiffige Idee auch begriffen hatte.

Dann hatte der Bundestrainer das Wort, Herr Hans-Hubert Vogts: „Ein Fußballfest gesehen“ habe er, meinte er vor andächtig lauschender Medienmeute, und daß sein Ensemble „verdient nach Schweden reisen“ dürfe. Wo man doch auch gegen Luxemburg, das sich sehr gut verkauft habe, nie habe wissen können, denn, so der kleine erste Mann des organisierten deutschen Balltretens in herbergeresker Analytik: „Im Fußball“, das dürfe man nie vergessen, „gibt es Siege und Niederlagen.“

Welchen Stellenwert der große Triumph über die Fußballzwerge in seinem Leben habe: Nun, befand Vogts, auch eine Euro-Qualifikation dürfe man in des Menschen Dasein nicht zu hoch hängen, denn „das schönste im Leben“, so Vogts, sei bei ihm, daß er „eine Frau habe und einen gesunden Sohn“. Selbstlos ob des deutlichen 4:0 (Bekenntnis: „Ich hatte einen Sieg und ein gutes Spiel von meiner Mannschaft verlangt“), lobpreiste Vogts seinen Arbeitgeber: „Der DFB war 1991 unheimlich erfolgreich — ein großes Dankeschön an alle Übungsleiter.“ Und jahreszeitbedingt trug der gläubige Mann vom Niederrhein („Freitags immer nur Fisch“) noch vor, daß er allen ein „gesegnetes und friedvolles Weihnachtsfest“ wünsche.

Da war allen aber mächtig warm ums Herz geworden, sie hatten die Dezemberkälte im Stadion vergessen und mit der Friedensmahnung durfte sich auch einer der drei E-Gitarristen der Bundeswehr-Bigband (Stoltenbergs Kriegercombo diesmal ganz modern im Halbkreis angetreten) bestätigt sehen, der ausgerechnet bei der deutschen Nationalhymne keinen Finger an seine Saiten bewegt hatte und mit dieser musikalischen Kriegsdienstverweigerung einen kleinen Schritt zur Zersetzung der Armee geleistet hatte.

Vier Tore, immerhin, gegen die engagierten Luxemburger Amateure. Auch ein John van Rijswijck im Gegnertor, städtischer Elektriker aus Esch und „Hobbyfußballer“ (Selbsterkenntnis), muß erstmal überwunden werden. Merkwürdig war, daß die Deutschen ab der achten Minute, als Luxemburgs Libero und Devisenhändler Thomas Wolf mit einem strammen Schuß in die falsche Richtung seinen Keeper zu einer Glanzparade zwang, eine Stunde lang nur viermal den Ball überhaupt Richtung Tor schießen konnten. Und alle vier Versuche waren erfolgreich. Matthäus-Elfer wuchtig aber knapp, dann Buchwald, die weltmeisterlichste Ungelenkigkeit, seit Bälle rund sind, per linkischem Links- Schuß, Riedles phänomenaler Kopfball (Vogts: „Einmalig in Europa, wenn nicht in der Welt, wie lange der Karlheinz in der Luft steht“) und Häßlers Knaller zum Endresultat.

Erst nach dem 4:0 gab es einige Glanzlichter, wobei Rudi Völler, der Beste, mehrfach Pech hatte, dem Maier Sepp aber die Rechenarbeit nicht erschweren wollte und einmal per Kopfball sogar richtig zielte, aber am Elektriker scheiterte. Thomas Wolf versuchte noch einmal sein erstes Länderspieltor, aber wieder hechtete van Rijswijck tollkühn dazwischen. Auch sonst hatten die Luxemburger mehr Erfolgserlebnisse, als ein Zunull besagt. Ihr Spiel in der ersten Halbzeit war meist abwehrsicher und nach vorne gelegentlich durchaus gefällig. Zweimal zielte Roby Langers denkbar knapp vorbei, daß die Deutschen mit dem 2:0 zur Pause sehr gut bedient waren. Gemeindekassierer Girres durfte einmal Buchwald tunneln, Käselagerist Joel Groff und Pizzabäcker Carlo Weis je einmal Matthäus austanzen, daß die vielen mitgereisten Landsleute nur so jubilierten.

Sportliches Fazit: Luxemburg ist für die WM-Qualifikation gerüstet und hofft, so Trainer Philipp, endlich auf die ersten Punkte, „zwei bis drei vielleicht“ könnten es gegen Island und Griechenland schon werden. Da in ihrer Gruppe so zukunftsträchtige Teams wie die UdSSR und Jugoslawien stehen, werden es vielleicht noch lockere acht mehr. Weltmeister Deutschland ist für eine neue Niederlage gegen Europameister Holland bereit, und die abgeliterten deutschen Pröll-Hools („Aus-, Aus-, Ausländer raus“) dürfen im nächsten Juni Schweden bereisen und besingen. Bleibt nur zu hoffen, daß sie sich wegen der deftigen Bierpreise nicht zu sehr zuskolen und ausrülpsen können. Bernd Müllender

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