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Tendüre — Kurdische Küche ohne Herd

■ In neuem Restaurant kommt das Essen aus einem Lehmofen / Alles im eigenen Saft geschmort

„Bei uns zu Hause in Kurdistan wird das Tendüre nie kalt“, sagt Erdem Göl. Seit einer Woche lebt die Familie Göl wieder mit einem Tendüre — der zwei Meter hohe Lehmofen ist das Kernstück ihres gleichnamigen Restaurants an den Bremer Wallanlagen. Morgens wird der Ofen mit großen Buchenholzscheiten eingeheizt. Eine in Jahrhunderten erprobte geschickte Anordnung von Luftkanälen sorgt dafür, daß in den verschiedenen Öfen der Tendüre die Temperatur ständig bei rund 900 Grad liegt. Selbst ohne Feuer bliebe der bullige Ofen noch zwei Tage lang warm.

Lammfleisch, Geflügel oder Fisch werden auf Naturlehmpfannen zum Anbraten in die Backröhren geschoben und anschließend mit Auberginen, Tomaten, Paprika, weiterem Gemüse und original kurdischen Kräutern in größeren Lehmformen, „Dezike“ genannt, geschmort.

„Wir brauchen zum Kochen weder Wasser noch Öl, alles gart im eigenen Saft“, erklärt Chefkoch Mehmet Aksu, der, bevor er nach Bremen kam, nicht nur in Kurdistan, sondern auch in Istanbul und den USA für kurdische Küche gesorgt hat. Einen Herd oder den türkischen „Döner“ sucht man im Tendüre-Restaurant vergeblich. „Wir machen sogar alle Vorspeisen und den Nachtisch im Lehmofen“, sagt Hasan Göl.

Vor elf Jahren ist er aus dem Dorf Varto an der türkisch-iranischen Grenze als politischer Flüchtling nach Deutschland gekommen. Nach der Anerkennung seines Asyls und einigen Jahren Fabrikarbeit in Berlin, war die nächste Station der kurdischen Familie ein großer Gemüseladen im Steintor.

„Wir verwenden grundsätzlich kein holländisches Gemüse“, versichert Hasan Göl. Im Gemüseladen hat er den Geschmacksunterschied der überdüngten Treibhauskost zu südeuropäischem Feldgemüse und ungespritztem Obst kennengelernt.

Neben vielen Bremer KurdInnen waren es in der ersten Woche vor allem Deutsche, die aus dem Lehmofen probieren wollten. „Türken haben offensichtlich Vorurteile gegen die kurdische Küche oder auch einfach ein Vorurteil gegen Kurden“, vermutet Hasan Göl.

Schon bei der Eröffnung des Tendüre-Restaurants gab es neben türkischer Musik aus dem Lautsprecher auch eine kurdische Gruppe live zu hören. Erdem Göl sieht darin keinen Widerspruch: „Kurdische und türkische Küche haben sich schließlich auch über Jahrhunderte gegenseitig befruchtet.“

Mit dem inzwischen weitverbreiteten Fastfood aus dem türkischen Imbiß haben die Gerichte aus dem Lehmofen allerdings rein gar nichts gemein. Aus dem Tendüre ist sogar dem selbstgebackenen Fladenbrot, dem kurdischen „Lo“, die Ruhe des dörflichen Ofenfeuers nachzuschmecken. Dirk Asendorpf

Das „Tendüre“-Restaurant in der Bürgermeister-Smidt-Str. 82 ist Mo-Fr von 11-15 und 18-1 Uhr geöffnet, Sa/So von 12-1 Uhr.

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