: Fernseh-Denkmal
■ „Gütt — ein Journalist“, Sa., N3, 20.15; West 3, 20.30 Uhr
Keine Frage, Dieter Gütt, der sich im Januar letzten Jahres das Leben nahm, war bereits zu Lebzeiten ein Denkmal des deutschen (Fernseh-) Journalismus. Dieser so gar nicht telegene Mann von bulliger, frühzeitig aus den Fugen geratener Statur, dem massigen Kopf mit diesem Inbegriff einer Un-Frisur, schien die Inkarnation des Phlegmas zu sein und beherrschte doch mit seinen scharfzüngigen, seine Erregung oft nur mühsam verbergenden Kommentaren zur politischen Befindlichkeit der deutschen Nation die Fernsehschirme der Sechziger.
Horst Königstein und Hans Heinrich Ziemann versuchen nun in diesem Film sich dieser Figur zu nähern. In einer unkommentierten Collage aus Statements von Personen aus Gütts Umfeld (vom „Who's Who“ der deutschen Medienlandschaft über seine Töchter bis zur Wirtin seines Stammlokals), Archivbildern und fiktiven Spielsequenzen (mit Traugott Buhre als Dieter Gütt) zeichnen sie die Karriere des streitbaren Journalisten nach.
Von seinem Einstieg vom WDR 1956 über diverse Beförderungen und Strafversetzungen bis zu seinem unrühmlichen Ende beim 'Stern‘, der ihn nach der Lachnummer mit den Hitler-Tagebüchern ins Haus holte, doch schon bald wieder vom Chefredakteur zum „Autor ohne besondere Aufgaben“ degradierte. Es entsteht das Porträt eines hoffnungslos idealistischen, zornigen und bisweilen auch widersprüchlichen Journalisten, der lebenslänglich unter seiner Herkunft litt. (Sein Vater, Arthur Gütt, machte sich als SS-Arzt und Theoretiker der arischen Rasse bei den Nazis einen Namen.)
So eindrucksvoll sich dieses Portät auch ausnimmt, interessanter noch ist der Blick, den der Film über die Interviews in die Chefetagen unserer heutigen Medienlandschaft eröffnet. Und in dieses Bild paßt denn auch, daß just jene beiden Organe, die in Gütts Wirken eine nicht immer rühmliche Rolle spielten, diesen zwar redlichen, aber nicht unbedingt herausragenden Film nun vorab mit größter Wertschätzung bedenken.
Der 'Stern‘ machte ihn zum Aufmacher seiner TV-Beilage, und am Donnerstag widmeten ihm gar die Tagesthemen einen mehrminütigen Beitrag. Freilich nicht, ohne daß Sabine Christiansen Gütts schließlich resignativer Einschätzung des journalistischen Berufsstandes ein frischgeföhnt frohlockendes Credo in eigener Sache hinzufügen zu müssen glaubte. Reinhard Lüke
Am 1. Januar 1992 um 19.15 Uhr ist der Film auch auf Südwest 3 zu sehen.
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