piwik no script img

Der Triumph der schlafenden Rettiche

■ Der VfK Schifferstadt schlägt im vorentscheidenden Kampf der Ringer-Bundesliga die RWG Mömbris-Königshofen mit 13:10 und erhält sich seine Chance auf die Finalteilnahme

Schifferstadt (taz) — Robert Litzenburger, der Vorsitzende des VfK Schifferstadt, war unter der Woche noch sehr skeptisch. „Wir werden sicher irgendwann wieder ganz vorne mit dabeisein, aber dieses Jahr sind andere noch stärker“, wiegelt er die Frage nach dem potentiellen Ort des Endkampfes ab. Schließlich hatten die Ringer aus der Pfälzer Rettich- Metropole im Vorkampf bei der RWG Mömbris-Königshofen mit 12:15,5 verloren. Und der obligatorische Stilartenwechsel zum Rückrundenbeginn sprach außerdem eher für die Mainfranken, die mit Thorsten Wagner, Andre Backhaus und Lutz Remus drei ehemalige Ringer des SC Leipzig sowie Jannis Zamanduridis aus Zella-Mehlis mit ihrer Knete angelockt hatten.

Zu solcher Transferakrobatik fehlt den einstmals so dominanten Schifferstädtern das Geld. Da bleibt den Menschen in der kleinen Stadt bei Ludwigshafen nichts anderes übrig, als auf die eigene Lautstärke zu vertrauen, um Erfolge auf der Matte zu erzwingen. So getan beim vorentscheidenden Rückkampf gegen die RWG, den der VfK unbedingt gewinnen mußte, um noch eine Chance auf die Finalteilnahme zu haben.

Doch es begann eher schlecht für die „Roten“. Der trotz seiner nur 48 Kilogramm recht kompakte „Blaue“ Rainer Heugabel ließ seinem ranken Kontrahenten Andre Zoschke keine Chance, und das trotz eines verpflasterten Ohres, in das kürzlich ein Gegner hineingebissen haben soll.

Beim Kampf des Bogdan Daras gegen Roger Gries flippte selbst die Polizei aus. „Wenn des keen Punkt war“, rumpelstilzelte ein leibhaftiger Hauptwachtmeister tief in den Hallenboden. Lag der VfK jetzt mit 2:6,5 hinten, so gelang es Markus Scherer, Andreas Kubiak, Laszlo Miklosch und Claudio Passarelli, 7,5 Punkte in Folge zu erzielen. Dabei hatte Miklosch in dem Polen Marian Skubacz einen zähen Gegner erwischt, der, schon auf 3:1 enteilt, am Ende noch geschlagen von der Matte Abschied nahm.

Und wieder waren es fett gepolsterte Großmütter und völlig außer Rand und Band geratene Ringerfundis, die den Mömbrisern böse einheizten. „Lazi, Lazi“, schallte es von den Tribünen, erschreckt hatte ich zunächst Schlimmstes vernommen, konnte mich aber schließlich beruhigen. Beim vorletzten Fight zwischen Jannis Zamandoridis und dem Schifferstädter Armenier Artur Alexanian war von vornherein alles klar, außer der Frage, ob der Mann aus Zella- Mehlis drei oder vier Punkte für sein Team holen würde. Gleichwohl auch ein Vierer hätte der RWG nichts mehr genutzt. Denn abschließend kam Liebling Betchet Selimoglu, als Angehöriger der türkischen Minderheit in Bulgarien aufgewachsen, und zeigte Lutz Remus mit 8:0, daß alle Zweifel am Schifferstädter Gesamtsieg umsonst waren.

In der Mömbriser Ecke war es ganz ruhig geworden, ganz im Gegensatz zu den vielen Eingeborenen, deren Günstlinge es nun beim KSV Ahlen am nächsten Samstag selbst im Griff haben, ob sie das Finale erreichen oder nicht. Dazwischen hat wer auch immer die Feiertage gesetzt, und da könnte so mancher Mattenfuchs den Rettichen untreu werden und sich fetten Gänsebraten hingeben, was Form und Gewicht nicht förderlich wäre. Weihnachten in Schifferstadt ist erst einmal gerettet, und alle sagten Dank für das erste, 13:10 wertvolle Präsent. Dank sagt auch der taz-Reporter an seinen 'Rheinpfalz‘-Kollegen Christian Gaier für das Nahebringen der komplizierten Punktewertung, welche auch Meistertrainer Werner Schröter nicht immer geläufig war.

Robert Litzenburger aber wird sich vermutlich schon seine Gedanken machen müssen über das Anmieten der Ludwigshafener Friedrich- Ebert-Halle, die am 11. oder 18. Januar 1992 Schauplatz der Neuauflage des Finales vom vorvorigen Jahr sein könnte: VfK Schifferstadt gegen AC Bavaria Goldbach. Und dort ringt mit Maik Bullmann ein weiterer Olympiamedaillenaspirant aus den fünf neuen Ländern. Aber Goldbach würde dann auch einen ganzen Nikolaussack voller Punkte zu groß sein für die tapferen Füchse aus dem Städtchen, in dem, was immer auch geschieht, schon bald wieder die Rettiche wachsen werden. Günther Rohrbacher-List

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen