piwik no script img

Memmingen nach Karlsruhe

Der Bundesgerichtshof hat gesprochen. Die ärztliche Schweigepflicht scheint keinen Pfifferling wert zu sein. Am 3.12.1991 verkündeten die Richter (keine Richterinnen), daß Memmingen der Sache nach gerecht sei: PatientInnenkarteien seien nicht vor öffentlicher Preisgabe geschützt; Richter dürften fortan weiter über eigene Befangenenheit selbst entscheiden; Horst Theissen habe sich durch menschliche Hilfe, die er ungewollt Schwangeren angedeihen ließ, strafbar gemacht statt ordnungswidrig gehandelt... Memmingen ist auch in Karlsruhe, Memmingen ist überall, solange der Strafrechtsparagraph 218 existiert.

Theissen wurde in den 20 verjährten Fällen freigesprochen, der Prozeß an die niedere Instanz, Landgericht Augsburg, zurückverwiesen zur Neuverhandlung nicht vor Sommer 1992. Lediglich das Strafmaß wird wohl geringer werden, das Unrechtsurteil wurde nicht aufgehoben. Theissen und seine Verteidiger wollen nicht aufgeben und das Bundesverfassungsgericht anrufen.

Theissen steht vor der Existenzvernichtung. Die Geldsammlungen konnten seine finanziellen von mehreren Hunderttausend Mark Verpflichtungen nicht decken; er ist hochverschuldet, Frau und Kinder mit ihm; unabsehbare Verfahrenskosten folgen. Sein Berufsverbot bleibt in der Schwebe. Seine neugeschaffene Praxis als Arzt für Naturheilkunde und Homöopathie wird daher nicht — wie sonst bei ÄrztInnen üblich — von Banken unterstützt. Seine Existenz und die seiner Familie hängen am seidenen Faden.

Wir dürfen nicht aufgeben. Theissen und seine Verteidiger fechten einen Rechtsstreit durch, den morgen Sie oder Sie zu führen haben. Wir wollen prüfen lassen, was das Arztrecht wert ist. Vor allem Ärzte und Ärztinnen sind aufgerufen, Theissen reichlich zu unterstützen. Er braucht Ihre Solidarität, er braucht Ihre Spenden dringend aus juristischen und aus menschlichen Gründen, und die betreffen uns alle. Bitte spenden Sie reichlich! Sonderkonto Dr. Theissen, Anderkonto RAin Wullenweber, Konto-Nr. 1013/216 880, Bankleitzahl 200 505 50. Elke Kügler für Pro Familia, Hamburg

P.S. Eine ausführliche Dokumentation des erstinstanzlichen Verfahrens und der BRD- Rechtsgrundlagen gaben Pro Familia und Komitee für Grundrechte und Demokratie heraus: „Memmingen, Abtreibung vor Gericht“, Braunschweig 1989.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen