: Unredliche Grundstücksgeschäfte
■ Der unlautere Erwerb von Grundstücken in der Ex-DDR soll geahndet werden/ Neues AROV-Referat soll Fällen von Machtmißbrauch auf die Spur kommen/ Rechtliche Regelungen sind noch unklar
Berlin. Der unredliche Erwerb von Grundstücken in der ehemaligen DDR soll in Zukunft verstärkt geahndet werden.
Zu Beginn des Jahres wird beim Amt zur Regelung offener Vermögensfragen (AROV) ein Referat eingerichtet, das all jenen Fällen nachgehen soll, in denen sich frühere Funktionsträger, unter Mißbrauch ihres Amtes ein Grundstück oder ein Haus unter den Nagel gerissen haben. Dazu zählen die „Enteignungen“, die von Stasi-Mitarbeitern veranlaßt wurden, weil sie die Gebäude selber nutzen wollten, als auch der Vermögenseinzug, der vorgenommen wurde, wenn jemand wegen politischer Straftatbestände inhaftiert wurde. Auch die Grundstückstransaktionen, die noch zu Zeiten der Modrow-Regierung über die Bühne gingen, werden überprüft. Zu den in Frage kommenden Objekten gehört unter anderen das Haus des ehemaligen Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz.
Über die mögliche Zahl der Mißbrauchsfälle konnte man bei der Finanzverwaltung keine genauen Angaben machen. Der Sprecher der Behörde, Steffen Kammradt, geht allerdings davon aus, daß es „viele“ sind.
Ob ein unredlicher Erwerb vorliegt, wird im AROV geprüft, sobald ein Restitutionsanspruch auf ein Grundstück oder Gebäude geltend gemacht wird. Auch wenn ein Grundstück verkauft werden soll, wird das Amt eingeschaltet. Es muß für den Verkauf eine „Grundstücksverkehrsgenehmigung“ erteilen, eine Art Unbedenklichkeitsbescheinigung für das Areal. Zu diesem Zweck werden bis ins Jahr 1933 zurückreichend, mögliche Ansprüche ermittelt. Auch Enteignungen jüdischen Besitzes in der Nazi-Zeit werden somit erfaßt. Die Ansprüche auf den ehemals jüdischen Besitz werden, sofern keine Einzelperson bereits einen Antrag auf Restitution gestellt hat, von der in Frankfurt ansässigen Claims Commission vertreten.
Das neu zu bildende Referat entscheidet, ob ein Grundstück unredlich erworben wurde, doch bislang ist noch ungeklärt, welche Kriterien es dabei zugrunde legen kann. Denn der „unredliche Erwerb“ ist, so Kammradt, ein ungefüllter Rechtsbegriff. Bei der Beurteilung eines Geschäfts nehmen die AROV-Mitarbeiter die Preisgesetze der ehemaligen DDR zum Anhaltspunkt.
Auf Basis dieser Gesetze wurden Grundstückspreise festgelegt. Wurde bei Verkäufen von diesen Preisen erheblich abgewichen, so kann man auf Machtmißbrauch schließen. Doch sind damit noch nicht alle Fälle von unredlichem Erwerb erfaßt. Kammradt sieht denn auch den dringenden Bedarf einer allgemeinverbindlichen Regelung auf gesetzlicher oder untergesetzlicher Ebene. Zur Erarbeitung einheitlicher Kriterien sollen Fallgruppen gebildet werden, anhand derer der Mißbrauchstatbestand juristisch definiert wird.
Ebenfalls zu Beginn des Jahres wird beim AROV eine City-Ag eingerichtet, in der fünf Juristen Restitutionsansprüche auf Grundstücke im Innenstadtbereich forciert bearbeiten sollen. Es bestehe, so Kammradt, eine politische Notwendigkeit, in dem Bereich zwischen Potsdamer und Alexanderplatz zu schnellen Entscheidungen über die weitere Nutzung zu kommen. dr
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