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Geheimdienste und giftige Geschäfte

■ Die seltsamen Bekanntschaften des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Richard Meier/ Wußten westliche Geheimdienste über Rabta Bescheid?

Im Jahre 1985, die Planungen für die Giftgasfabrik im libyschen Rabta laufen auf Hochtouren, kommt es in einem Hotel in Öhr-Erkenschwick zu einer seltsamen Begegnung: Gleich zwei chinesische Delegationen, die eine aus Rotchina, die andere aus Taiwan, treffen sich mit Volker Weißheimer. Mit von der Partie ist auch Richard Meier, ehemals beim Bundesnachrichtendienst (BND) zuständig für dessen Agenten im Ausland, danach bis 1983 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, seither Pensionär. Er und Weißheimer sitzen beim Diner nebeneinander, unterhalten sich nach Auskunft von Konferenzteilnehmern angeregt. Richard Meier bestreitet dieses Zusammentreffen nicht. Es sei allerdings sein einziger Kontakt zu Weißheimer gewesen. Dabei sei es lediglich um ein Tourismus-Projekt für Rotchina gegangen.

Es bleiben Merkwürdigkeiten. Ein englischer Geschäftsmann, enger Bekannter des Rabta-Drahtziehers Ihsan Barbouti, behauptet, Volker Weißheimer habe Beziehungen zu westlichen Geheimdiensten unterhalten: „Für einen Waffenhändler ist das ja nicht unüblich.“ Verbürgt sind die Geheimdienstconnections des verstorbenen Weißheimer-Geschäftspartners Otto Skorzeny. Der Ex-SS-Mann baute in den 50er Jahren im Auftrag der CIA und der Organisation Gehlen, dem Vorläufer des BND, den ägyptischen Geheimdienst auf. Auch nach dem Tod Skorzenys bleibt Weißheimer vom Geheimdienstnebel umgeben. Er pflegt Geschäftsbeziehungen zur Nogan-Hand-Bank, die von ehemaligen CIA-Leuten gesteuert wird. Der Kampfstoffexperte Frucht, dem Weißheimer Giftgas-Know-how abluchsen wollte, erinnert sich: „Weißheimer hat mir erzählt, ein früherer CIA-Mitarbeiter habe ihm meinen Namen genannt.“

Schließlich ist da noch Weißheimers ehemaliger Partner Barbouti. Er stand bis zu seinem Tod im Sommer 1990 auf gutem Fuß mit der CIA wie mit dem britischen Geheimdienst. Der amerikanische TV-Sender ABC gab kürzlich Äußerungen von Barboutis Anwalt wieder, wonach der Iraki den Diensten Informationen aus Irak und Libyen geliefert habe und dafür im Gegenzug bei seinen Geschäften unbehelligt blieb. So konnte Barbouti noch 1989 aus einer ihm gehörenden Fabrik im US-amerikanischen Boca Raton unter den Augen der CIA Vorprodukte für die Giftgassynthese in den Irak liefern.

Zur Erinnerung: Bei ihren Ermittlungen gegen deutsche Zulieferer für das Chemiewaffenzentrum Samarra im Irak entdeckten die ermittelnden Staatsanwälte, das zwei der Hauptbeteiligten auf der Honorarliste des BND standen.

Nach jüngsten Presseberichten stand sogar eine der Hauptfiguren der Rabta-Affäre dem BND als Informant zu Diensten: Andreas Böhm, Duzfreund des gewesenen Imhausen-Chefs Jürgen Hippenstiel-Imhausen und Ex- Geschäftsführer der Salzgitter Industriebau GmbH (SIG), die unter seiner Federführung die Detailplanung für Rabta besorgt hatte. Böhm soll dem BND von Anfang an Hinweise auf den giftigen Deal mit den Libyern geliefert haben. Ebenso ein zweiter Informant, der in Pullach unter dem Tarnkürzel „ZR“ geführt wurde und seit 1985 nahezu wöchentlich über den Stand der Arbeiten in Rabta berichtet haben soll.

Treffen diese Enthüllungen zu, muß die Rabta-Story neu geschrieben werden. Dann wären Parlament und Öffentlichkeit im Frühjahr 1989 mit dem sogenannten Schäuble-Bericht belogen worden, in dem der damalige Kanzleramtsminister Wolfgang Schäuble geschrieben hatte, der BND habe erst 1987 durch befreundete Dienste von Rabta erfahren. Wahrscheinlicher denn je wäre dann, was einige Experten schon jetzt vermuten: Daß die Giftgasküche von Rabta von Beginn an unter Kontrolle der Geheimdienste entstand.

Zu welchem Zweck auch immer. Und sei es auch nur aus dem taktischen Kalkül heraus, daß Libyen sich die nötigen Komponenten auf jeden Fall auf dem Schwarzmarkt zusammenkaufen würde und man, wenn das schon nicht zu verhindern war, die Sache wenigstens im Griff behalten wollte. Das zumindest ist gründlich schiefgegangen.

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