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USA: Nachrichten als Publikumsrenner im TV

■ CNN verwies Shows und Serien auf hintere Plätze

New York (dpa/taz) — Im Dezember, nachdem die Amerikaner tagelang live und atemlos den Vergewaltigungsprozeß gegen William Kennedy Smith im Fernsehen verfolgt hatten, kam die Frage auf, ob und wie rasch Hollywood aus dem Stoff einen Film machen würde. „Aber wer geht denn in so einen Film, nachdem er das alles hier direkt erlebt hat?“ sagte eine junge Frau auf die Frage eines Reporters — und nahm damit vermutlich vielen Produzenten den Mut, viele Millionen Dollar in ein Remake für die Leinwand zu investieren.

Das Interview kam ebenso wie die Übertragung des Prozesses vom Nachrichtenkanal CNN, dessen Gründer und Chef Ted Turner vom 'Time-Magazine‘ soeben mit dem Titel „Mann des Jahres“ ausgezeichnet wurde.

Cable News Network feiert gerade seinen zehnten Geburtstag, und die vermeintlich sachkundigen Spötter, die bei der Gründung wegen der Vorliebe des US-Publikums für seichte Unterhaltung ein rasches kommerzielles Ende vorausgesagt hatten, sind längst verstummt. Inzwischen ist das Hauptthema für die Gewaltigen in den drei größten US- Fernsehketten nur noch, wie sie auf das CNN-Konzept antworten können: Entweder man versucht aufzuholen, oder man überläßt Turner das Nachrichtenfeld noch mehr als bisher und versucht sich mit traditionellem Klimbim zu retten.

Die letztgenannte Möglichkeit ist — jedenfalls auf kurze Sicht — die finanziell attraktivere. Während des Golfkriegs im Frühjahr 1991, als CNN „den Begriff der Nachricht wandelte von etwas, was geschehen ist, zu etwas, was sich genau in dem Augenblick ereignet, in dem man davon erfährt“ — so 'Time‘ —, hatten alle amerikanischen TV-Stationen riesige Verluste gemacht. Nicht nur die teure Kriegsberichterstattung war daran schuld, sondern auch der Verlust an Werbeeinnahmen: Die Produzenten wollten nicht zwischen brutaler Kriegsberichterstattung werben, sondern bestanden auf einem „angenehmen Umfeld“ für ihre feilgebotenen Waren.

Aber CNN, das 30 Millionen Dollar in die Berichterstattung vom Golfkrieg investierte, wurde dabei endgültig zu einem Markenzeichen in 150 Ländern: Spitzenpolitiker ebenso wie Journalisten und Geheimdienstler, Wirtschaftsführer ebenso wie pazifistische Kriegsgegner klebten vor den Bildschirmen, um Entscheidungen treffen und mitreden zu können.

Das Jahr 1991 wurde das Jahr, in dem die Fernsehnachrichten (jedenfalls in den USA) alles andere auf den Bildschirmen als zweitrangig erscheinen ließen. CNN spielte die Hauptrolle und das nicht nur bei der Berichterstattung über die dramatischen Vorgänge am Golf, beim Zerfall der Sowjetunion oder in Jugoslawien.

Nachrichten verdrängten im US- Fernsehen Shows und Serien, während in deutschen Landen eine gegenläufige Entwicklung zu verzeichnen ist.

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