: Eine Worthülse wandelt durch Kreuzberg
■ Volkmars Staub mit »Keep-Styling«: Ein qualvoll geist- und witzloses Kabarettprogramm im Mehringhoftheater
Seit Helmut Kohl auf seinem langen Weg zum Einigungskanzler eigens bei Collani vorbeischaute, um sich ein neues Images designen zu lassen, wissen wir, daß Erfolg auch eine Frage der richtigen Brille ist. Seit Björn Engholm lieber über Jazz statt über Politik redet, sucht Kohl schon den nächsten »Mind-Stylisten«, und Hannelore denkt über ein fesches Seidenhemd nach. Die alte Weisheit, das Design bestimme das Bewußtsein, hat längst schon selbst die konservativsten Kreise politischer Würdenträger erreicht. Farbberatung für Frau Süssmuth, Paragliding für die CDU: wenn es mit dem Mind-Styling einmal so weit gekommen ist, ist der Trend schon lange nicht mehr trendy und Image etwas, was man besser gar nicht erst hat.
Leider ist dem Zeitgeistler Volkmar Staub diese Entwicklung entgangen, sein jüngstes Kabarett-programm Keep-Styling surft noch voll auf der Design-Welle und haut dabei so grobschlächtig auf die ondulierte Kacke, daß selbst der letzte Depp noch drüber lachen kann.
Die Idee ist ja gar nicht schlecht. Da wartet einer auf den Flieger nach Frankfurt und plaudert derweil von seinem florierenden Business. Die BIMS GmbH — Büro für Image und Mind-Styling — ist gut im Geschäft: Tischreden für Riesenhuber, Werbespots und Imagepflege für jedermann. Nichts, was sich nicht vermarkten ließe, denn »Image« ist ja doch nur eine Frage des guten Namens. Und so wird aus dem Sterbehelfer der Finaldesigner, ein user- orientiertes Zielgruppen-Bonmot jagt das nächste und, so wird empfohlen, zu allem trinkt man heuer einen alkoholfreien Grappa!
Jungmanager Neumann alias Vokmar Staub sieht — was ist das komisch! — in Umweltfragen »einfach das Problem nicht«! Weg mit dem Nachtflugverbot, wer eh im Treibhaus sitzt, soll nicht mit Deos geizen. Aus marktgerechtem Geschäftsprinzip ist der arrivierte Oberflächenästhetiker eine wandelnde Worthülse. »Es gibt ein Leben nach der Mode«, »Radeln verpflichtet«, »Style und herrsche« — das ist griffig, das kommt an. Ein Klospruch nach dem andern fließt dem Pepita-Buben aus dem durchgestylten Mund. Inhaltsleer und formalistisch ist Staubs Programm letztlich wie das moderne Leben: Verpackung pur. Denn die Typen und Knallchargen, die der Möcht-so-gern-Zyniker auf die Bühne des Mehringhoftheaters hieft, sind allesamt dermaßen überzogen, daß drunten im Publikum selbst die sich lachend auf die Schenkel klopfen, die gemeint sind.
Da ist der Mountain-Radler aus der ökologischen Mittelschicht. Mit Biopace (Hä? d.Red.) und Bypass macht sich der fettbauchige Managertyp im gelben Trikot lächerlich, wo er nur kann. Dumme Literaten lesen noch dümmere Literatur, Herr Reich-Ranitzki stöhnt dazu mit Lispelschlag, und Freund Harald Nische-Halberg (immer diese satirische Doppelnamen-Nummer!) erklärt den Beischlaf zur Lyrik des Pöbels. Soweit so blöd.
Dann haben wir da noch den verschlagen bebrillten Sachsen mit moosgrünem Filzhut. Der hat die Marktwirtschaft natürlich schon wieder falsch verstanden und läßt sich von der Gründung einer Organ- Farm »Happy Kadaver« nur schwer wieder abbringen. Anarcho-Schwäbin Anne hat als Sekretärin bei BIMS, ihrem Image entsprechend, immer was zu meckern. Betroffen faxt sie zum Golfkrieg weiße Blätter für den Frieden und wird postwendend von Wortakrobat Neumann des »pubertären Vulgärmaterialismus« beschimpft. Da mischt sich Harald mal wieder mit einem seiner wunderbaren Geistesblitze ein: »Wir benützen unsere kritischen Analysen nur noch dazu, uns wie ein Hai im Wasser zu bewegen, ohne den Ozean selbst zu thematisieren.« Sagt's und wartet auf Applaus.
Entsetzlich oft besteht der Gag nur aus ein paar ausgestauschten Buchstaben. Schwulen-Porno à la Staub: »Der mit dem Rolf tanzt« und »Wen die Tunte schlägt«. Der taz empfiehlt der Wahl-Berliner »die Parfümierung der Verhältnisse« und »Deodorierung der Strukturen«. Gern werd' ich die Anregung im Hause weiterleiten, ist sie doch wirklich enorm witzig. Wie alles von der Firma BIMS. Kalauer, ick hör' dir trapsen. Da hat einer verdammt lange am Computer gespielt, bis aus jedem dummen Satz ein noch dümmerer wurde: »Stell Dir vor es geht, und keiner kriegt's hin!« Satire als lupenreiner Wortkunstgriff. Auch das ist ja eine Fertigkeit, die nicht jeder beherrscht. Gott sei Dank. Denn gäbe es noch mehr von der Sorte Staub, käme wohl zwangsläufig bald das »Kabarett zum Selbermachen« auf den Markt. Vielleicht als Game-Boy- Wortspiel: Tausche »Potsdamer« durch »Potsdaimler«. Fertig ist der Gag. Oder auch nicht. Klaudia Brunst
Mehringhoftheater, Gneisenaustraße 2a, mi.-so. 21 Uhr, noch bis 19. Januar
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