: Aus der Höhle des 'WAZ‘-Löwen
■ Ein Lesebuch über das Lokalradio im Ruhrgebiet
Allmählich wird es still um das nordrhein-westfälische Lokalfunkmodell. Der Großteil der lokalen Monopolsender ist inzwischen auf Sendung gegangen. Zeit, einmal eine erste Bilanz zu ziehen der „Alternative zum hemmungslosen Kommerzfunk“, als die die NRW-SPD ihr Kind Lokalradio immer gerne präsentiert. Dies haben Siggi Domke, Ludger Fittkau und Walter Wandtke mit ihrem Buch Funkstille — wie der Lokalfunk im Ruhrgebiet auf die 'WAZ‘ gekommen ist auf eine Weise getan, die gar nicht so pamphletisch ist, wie sie klingt.
Die Autoren — allesamt Radioaktivisten, die sich vor ein paar Jahren von den Versprechungen des bürgernahen Lokalfunks haben vereinnahmen lassen — beschreiben anhand der Vorgeschichte des Essener Lokalsenders die Tricks, Winkelzüge, Kabbalen und Einschüchterungen, mit denen man ausgerechnet in der Höhle des Presselöwen 'WAZ‘ verhandelt hat, um ein Lokalradio zu etablieren, daß (wenigstens einigermaßen) journalistischen Ansprüchen genügt.
Dabei erschöpft sich dieses Buch nicht in drögen geschichtlichen Abrissen von fünf Jahren Landesrundfunkgesetz NRW. Die Autoren schildern vielmehr, wie sie sich selbst in die Diskussion um einen bürgernahen Rundfunk haben einbinden (einwickeln) lassen, wie sich die Lebensentwürfe von drei Leuten, dem Musiker, dem Sozialarbeiter und dem Erwachsenenpädagogen für Jahre auf das so andere Rundfunkmodell fixiert haben.
Nebenbei erfahren die LeserInnen eine ganze Menge über die Pressegeschichte des Ruhrgebiets, wie die 'WAZ‘ durch Verdrängung anderer Blätter wurde, was sie ist, nicht nur im Pott, sondern auch in der ostdeutschen und österreichischen Medienlandschaft. Versuche von Bürgergruppen in Rheinhausen und anderswo, mit ihren Themen in der regionalen Presse Beachtung zu finden. Versuche von 15 Jahren zaghafter Gegenöffentlichkeit in Deutschlands größtem Ballungsraum (und faktisch auch größtem Pressemonopol).
Gestalten am Wege, das Junkiemädchen in Oberhausen, die uniformierten Office Ladies von Düsseldorf, ABM-Karrieristen, engagierte Verbraucherschützerinnen und krawattenfixierte Vertreter der Essener Wirtschaft lassen ein soziales Bild der Gegend an Rhein und Ruhr entstehen. Insofern ist dieses Buch mehr als nur eine sachliche Bestandsaufnahme des „gescheiterten“ NRW- Lokalfunkmodells (Detlef Samland, Mitglied der SPD-Medienkommission), sondern auch ein kurzweiliges Lesebuch zu einer Medien-Sub-Geschichte. Jürgen Bischoff
Domke, Siggi; Fittkau, Ludger; Wandtke, Walter: Funkstille — Wie der Lokalfunk im Ruhrgebiet auf die WAZ gekommen ist . 112 Seiten, 12 DM, zu beziehen über: Angelika Schlüter, Klapperstraße 84, 4300 Essen 14
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen