KOMMENTAR: Anti-Vietnam-Lobby funktioniert präsize
■ Bush kann die Sanktionen gegen Vietnam erst nach den Wahlen aufheben
Reine Formsache war die Ankündigung George Bushs, die USA würden ihr Wirtschaftsembargo gegen Kambodscha aufheben. Als eines der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, unter deren Ägide der Kambodscha-Friedensplan zustande kam, müssen die USA daran interessiert sein, daß Kredite, Hilfe und Investitionen schnell und effektiv nach Kambodscha kommen. Denn der Weg zu einer friedlichen Lösung hängt davon ab, daß die Hoffnung der Bevölkerung auf eine spürbare Verbesserung ihres Lebens nicht enttäuscht wird. So war diese Ankündigung ein logischer und zwingender Schritt der amerikanischen Außenpolitik, die sich im Einklang mit den Interessen der Region weiß.
Und Vietnam? Fast im gleichen Atemzug, in dem Bush von der Notwendigkeit sprach, der kambodschanischen Bevölkerung auf ihrem schwierigen Weg zur Demokratie und nationaler Versöhnung beizustehen, erklärte er, für eine Aufhebung der Sanktionen gegen Vietnam sei es „noch zu früh“. In diesem Punkt steht die amerikanische Administration gegen den Rest der Welt. Japan will im kommenden Jahr knapp 50 Millionen Mark Wirtschaftshilfe zur Verfügung zu stellen. Vertreter von Hilfsorganisationen und vor allem Geschäftsleute aus den asiatischen Nachbarstaaten — die auch in den vergangenen Monaten wieder Ziel Tausender vietnamesischer Boat-people waren — und der EG geben sich in Vietnam die Klinke in die Hand.
Aber es geht Bush in der Vietnam-Frage ja nicht um Außenpolitik, die Fortsetzung des Embargos wird auch nicht mit der Verletzung der Menschenrechte in Vietnam begründet. Es geht auch nicht um die Lebenssituation der vietnamesischen Bevölkerung. Vietnam bleibt US-Innenpolitik — und der US-Präsident befindet sich im Vorwahlkampf. Die Anti-Vietnam-Lobby im amerikanischen Kongreß funktioniert weiterhin präzise. Wie stets, wenn es so aussieht, als sei die Administration geneigt, einen Schritt zur Normalisierung der Beziehungen zu tun, tauchen in den amerikanischen Medien Berichte auf, die angebliche Beweise über noch lebende amerikanische Kriegsgefangene in Vietnam aufführen.
Pünktlich zur Asienreise des Präsidenten erklärte dieses Mal ein „pensionierter Geheimdienstoffizier“, daß noch 1984 mehr als 400 US-Kriegsgefangene in Vietnam festgehalten wurden. Daß es bislang bei entsprechenden Behauptungen keine Beweise gab und die Regierung in Hanoi stets dementierte, ist ohne Bedeutung. Dagegen kommt selbst die amerikanische Chamber of Commerce nicht an, die immer lauter darüber klagt, daß der vietnamesische Kuchen ohne sie verteilt wird. Sie wird sich bis nach den Wahlen Ende dieses Jahres gedulden müssen. Jutta Lietsch
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