: Wie weit kann Israel gehen?
Geplante Deportation von zwölf Palästinensern durch Israel hat nicht zum arabischen Boykott der Nahostverhandlungen geführt/ Proteste gegen die Deportationen in den besetzten Gebieten ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
In Jerusalem ist man der Meinung, daß trotz der Deportationsbefehle gegen zwölf Palästinenser aus den besetzten Gebieten keine weiteren Schwierigkeiten für die Fortsetzung der Nahostgespräche zu erwarten sind. Daran hat auch die Verschiebung der Abreise arabischer Delegationen in die USA nichts geändert.
Die israelische Delegation flog gestern plangemäß ab. Nach einwöchigen Gesprächen in Washington soll der Verhandlungsort dann auf israelischen Wunsch hin in den Nahen Osten oder nach Europa verlegt werden. Die israelische Regierung hat bisher keine Beschlüsse über die „Autonomie-Verhandlungen“ mit den Palästinensern gefaßt und eine entsprechende Kabinettsdebatte wurde erst für nächsten Sonntag angesetzt. Daher besteht gegenwärtig wenig Aussicht auf irgendeine „substantielle“ Debatte zwischen Israelis, Jordaniern und Palästinensern, die sich vermutlich erneut in den Korridoren des Statedepartments treffen werden.
Da eine Fortsetzung der Verhandlungen mit Syrien und dem Libanon gegenwärtig vom Beginn der israelisch-jordanisch-palästinensischen Gespräche abzuhängen scheint, besteht ebenfalls wenig Aussicht auf einen Durchbruch in diesem Teil der festgefahrenen bilateralen Verhandlungen. Und gegenüber Syrien und Libanon hat Israel auch nichts Neues zu bieten. Die Regierung weist die Formel „Land gegen Frieden“ weiterhin zurück. Was Israel im gegenwärtigen Stadium allerdings fürchtet, ist eine aktivere Rolle der Vereinigten Staaten, die als „Cosponsor“ eingreifen sollen, wenn die Verhandlungen festgefahren bleiben. Washington hat Israel über derartige Absichten informiert.
In Jerusalem haben hochrangige Offiziere am Wochenende erneut betont, daß die Entscheidung über die Deportation von zwölf Palästinensern von der Regierung getroffen wurde, während das Militär und die Kommandanten für die besetzten Gebiete zumindest am Vorabend der zweiten Washingtoner Verhandlungsrunde gegen einen solchen Schritt waren. Die israelische Tageszeitung 'Jerusalem Post‘ berichtet heute, aus Kreisen der Armee habe es geheißen, daß Verteidigungsminister Arens zusammen mit Regierungschef Schamir persönlich „Druck ausübte, um die Deportationen zu durchzusetzen“. Den von Deportation bedrohten Palästinensern, von denen die meisten im Laufe des letzten Jahres zeitweise in Administrativhaft waren, wird keiner der 1991 begangenen Gewaltakte zur Last gelegt. In den besetzten Gebieten kam es zu Protesten gegen die geplanten Deportationen, die israelische Armee erschoß einen Palästinenser. Die US-Regierung hat Israel mitgeteilt, daß sie es für wünschenswert hält, die bilateralen Verhandlungen voranzutreiben, um wenigstens irgendwelche positiven Resultate vorweisen zu können, wenn Ende des Monats die multilateralen Verhandlungen in Moskau beginnen. Um die palästinensische Seite diesbezüglich „anzutreiben“, hat Washington diesmal angeblich dem Arafat-Berater Nabil Shaath für die Zeit der Gespräche eine Aufenthaltserlaubnis in Washington zugesagt. Inzwischen hat die US-Regierung nicht nur den Deportationsbefehl gegen zwölf Palästinenser verurteilt, sondern auch den Knessetbeschluß über den israelischen Haushalt für 1992, durch den letzte Woche große Siedlungsprogramme in den besetzten Gebieten bewilligt wurden.
Sowohl die Palästinensersprecher in Ostjerusalem als auch Nabil Shaath in Tunis betonen, daß die Palästinenser nicht die Absicht haben, die Washingtoner Verhandlungsrunde zu boykottieren. Der internationale Protest gegen die israelischen Deportationsbefehle wurden von den Palästinensern mit Genugtuung aufgenommen, und eine Verurteilung des israelischen Schritts durch den Sicherheitsrat wird für heute erwartet. Sowohl die Führung der Palästinenser in Ostjerusalem als auch die PLO neigen eindeutig dazu, die Washingtoner Verhandlungen programmgemäß fortzusetzen. Demnach werden sich auch die anderen arabischen Delegationen rechtzeitig oder nur mit geringer Verspätung zu den Gesprächen einfinden.
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