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„Zwischenfragen“ als Stilmittel für Rassismus

■ Die Rhetorik des Leiters der Landeszentrale für politische Bildung, Herbert Wulfekuhl (SPD), hat Methode: Es sind unterschwellig rassistische Sprachmuster, meint Heinrich Ebbers, Deutsch-Lehrer an der Erwachsenenschule Wir dokumentieren seinen Kommentar zu Wulfekuhls Thesen und R. Jungs Antwort (vgl. taz 4.1.1992)

In der politischen Tendenz stimmt ich der Antwort Reinhard Jungs auf Herbert Wulfekuhls „10 Zwischenfragen zum Streit um das Asylrecht“ zu. (taz 4.2.) Der unterschwellige Rassismus der „Zwischenfragen“ und der darin anvisierten Politik kommt dabei aber nur andeutungsweise zum Ausdruck. Der Vorwurf des „Populismus“ kommt nämlich einer Verharmlosung der politischen Führer und einer Diskriminierung der geführten, vielleicht verführten, gleich. Die rassistische Politik und Ideologie unserer seriösen Politiker und Ideologen erscheint als Reflex auf den Willen des „Pöbels“ (lat. „populus“), dessen Wählerstimmen sie leider brauchen.

Tatsächlich werden z.B. die drei Forderungen, die Herr Dr. Frey von der DVU uns vor den Wahlen ins Haus geschickt hat — „Ja zur Ausländerbegrenzung“, „Nein zum Ausländerwahlrecht“, „Nein zum Parteienfilz“ — von Wedemeier und seiner SPD in Bremen viel wirksamer zur Geltung gebracht, vielleicht mit Ausnahme der letzten. Und die von Jung vermerkte rassistische Trennung zwischen „Fremden“ und „(Mit-)menschen“ taucht ja z.B. bereits zu den Wahlen im taz-Interview der SPD-Vorsitzenden des Bremer Westens auf, die sich im selben Interview peinlicherweise gegen den Vorwurf faschistischer Sprachverwendung verteidigt.

Die Rhetorik, derer er sich bei seinen „Zwischenfragen“ bedient, hat Methode. Hier handelt es sich nicht um „unverantwortliches Geschwafel“ (Jung), sondern um professionelle Transportierung rechter politischer Inhalte mit Hilfe von demagogischen Sprachmustern. Das läßt sich an beliebiger Stelle zeigen.

In seiner fünften Frage z.B. gibt Wulfekuhl folgendes zu bedenken:

„Müssen wir die Aktivitäten mafioser Drogensyndikate und internationaler Menschenschlepper-Organisationen nicht als elementare Bedrohung unserer Verfassungsordnung verstehen und vom Verfassungsschutz verfolgen lassen?“

Die spontane Antwort lautet selbstverständlich: ja!, und damit sind wir ihm schon aufgesessen.

Alle zehn Fragen sind von der Art, lassen sich nur mit einem schlichten ja oder nein beantworten und sind so formuliert, daß wir dem so fragenden die spontane Zustimmung schlecht verweigern können.

hier das foto

von dem Mann

mit

dem Blick nach unten

H. Ebbers, Lehrer für Gemeinschaftskunde, Deutsch, Philosophie (Erwachsenenschule)

Die komplexe Bedeutung des Satzes umfaßt aber nicht nur das, was direkt ausgesagt ist, sondern auch, was im Zusammenhang vorausgesetzt, assoziatiiert, ausgelassen wird usw.. Verfolgen wir das an diesem Satz genauer:

Bei den „Aktivitäten mafioser Drogensyndikate und internationaler Menschenschlepper-Organisationen“ fehlen die internationalen Waffenschieber, vermutlich wegen des Verfassungsschutzes. Oder soll der den MAD verfolgen?

Das Einverständnis mit dem Satz gründet sich auf zwei unausgesprochenen, aber durchaus fragwürdigen Voraussetzungen: Die erste ist die Annahme, der Verfassungsschutz sei dazu da, die Verfassung zu schützen, die zweite, er müsse das organisierte Verbrechen bekämpfen. Die Erwähnung der Waffenschieber würde dies Einverständnis stören: Daß die Geheimdienste ins internationale Drogengeschäft verwickelt sind, gibts womöglich nur im Kino; daß sie ins Waffengeschäft verwickelt sind, ist bekannt. (Strittig ist nur die Frage, ob auch der Minister das weiß.)

Die erwähnten Verbrechersyndikate bedrohen allerdings keineswegs unsere Verfassung, wie behauptet wird, sondern verstoßen gegen Gesetze. Dies zu verhindern und zu ahnden, ist Aufgabe von Polizei, Staatsanwälten und Richtern. Erst wenn diese ihrer Aufgabe nicht mehr nachkommen, wie im Fall des Einreisebeschränkungs-Erlasses von Herrn Wedemeier, dem hier gesetz- und eben verfassungswidriges Handeln vorgeworfen wird, handelt es sich um eine „elementare Bedrohung unserer Verfassungsordnung“. Ist dieser Vorwurf begründet, müßte ein Verfassungsschutz, der seinen Namen verdiente, dem Mann das politische Handwerk legen.

Von dem Satz bleibt also für die vernünftige Überlegung nichts übrig. Also doch bloß „Geschwafel“? Keineswegs: Die wahre Bedeutung des Satzes liegt darin, was er assoziieren soll:

Genau betrachtet, hat der Satz mit dem Thema „Streit um das Asylrecht“ überhaupt nichts zu tun. Es sei denn, man unterstellte, politische Verfolgung, wo auch immer, sei eine Fiktion, in die Welt gesetzt von interessierten „Menschenschlepper-Organisationen“. Das hört sich gefährlich und kriminell an, dabei sind damit wahrscheinlich im wesentlichen Leute gemeint, die hohe Gebühren für die Vermittlung von Schiffspassagen, Flugkarten etc. kassieren. Wer das für einen Angriff auf unsere Verfassungsordnung hält, mag sich mal die Maklergebühren für Wohnungen ansehen.

Das gibt also außer dem reißerischen Namen nicht viel her. Was bietet sich da an? Etwas noch Reißerischeres und zudem hoch Kriminelles: „mafiose Drogensyndikate“, ist das etwa nichts? — Und wo ist die Verbindung zum Asylrecht für politisch Verfolgte? — Alles Ausländer! (wenn auch zunächst nur Sizilianer, also immerhin noch katholisch, allerdings schon fundamentalistisch). Dies also ist die Bedrohung. Von den Drogen zu schweigen. Und der Verfassungsschutz? Er soll womöglich den neuen Nationalstaat vor der Verfassung schützen, zum Beispiel vor dem „dauerhaften Festhalten am jetzigen Inhalt von Artikel 16“.

Dies zu einer einzelnen Frage; der Teil steht hier fürs Ganze. Man mache die Probe aufs Exempel, und man wird, sofern man an die nationale Seele glaubt, die zehnte Frage: „Gibt es einen deutschen Hang zum Irrationalen...?“ im Blick auf die „Zwischenfragen“ des Leiters der Landeszentrale für politische Bildung leider mit „ja!“ beantworten müssen.

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