Anschläge nur „Spitze des Eisberges“

1991 wurden in Nordrhein-Westfalen 725 rassistische Straftaten verübt  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

In Nordrhein-Westfalen wurden im vergangenen Jahr insgesamt 725 rassistisch motivierte Straftaten verübt. Im gesamten Bundesgebiet waren es etwa 2.300. Im einzelnen registrierten die Behörden in NRW unter anderem 95 Brandanschläge auf Flüchtlingsheime und Ausländerzentren, 73 Körperverletzungen und 143 Bedrohungen von Ausländern. Am schlimmsten war es im Oktober. 301 Anschläge zählte die Polizei im neudeutschen Jubelmonat. Einen Monat später schlugen die Ausländerhasser noch 111mal zu. Den letzten Brandanschlag des Jahres 1991 gab es in NRW exakt eine halbe Stunde vor Neujahr. Nach Auskunft des nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Schnoor (SPD) konnte die Polizei etwa 200 Tatverdächtige ermitteln. Zwei Drittel von ihnen waren nicht älter als 20 Jahre. Ein Großteil der Anschläge wurde von Skinheads verübt. Von den etwa 1.000 Skinheads in NRW sind nach Erkenntnissen des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, der die Skinhead-Szene seit Oktober letzten Jahres mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet, rund 300 als „militant rechtsextremistisch“ einzustufen. Dieser Teil der Skinhead- Szene ist nach den Worten von Schnoor zum Teil eng mit der neonazistischen Szene, zum Beispiel der FAP, „verflochten“. Von einer „unstrukturierten, subkulturellen Jugendprotestszene kann hierbei nicht mehr gesprochen werden“, sagte Schnoor am Montag in Düsseldorf anläßlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 1991. Die Bedrohung durch den Rechtsextremismus ist nach den Worten des Ministers inzwischen „gefährlicher“ als durch den Linksextremismus, auch wenn die fortdauernde „Gefährdung durch die RAF nicht zu bestreiten“ sei. Bei anhaltender Zuwanderung von Flüchtlingen und bei Aufrechterhaltung der sozialen Ungerechtigkeit fürchtet Schnoor einen dauerhaften „Ruck nach rechts in Westeuropa“. Die Anschläge von militanten Rechtsextremisten und Skins wertete Schnoor nur als „Spitze des Eisberges“, denn sie „sind nur eine Überspitzung dessen, was vielfältig in der Gesellschaft gedacht wird“. Zwar müsse der demokratische Staat alle repressiven Möglichkeiten zur Verhinderung von rassistisch motivierten Straftaten nutzen, der „Hauptansatzpunkt „gegen die Fremdenfeindlichkeit, die „dort leichter entsteht, wo Menschen sich in sozialen Schwierigkeiten befinden“, müsse aber im „politischen Bereich“ liegen.