: Brecht und die Frau
■ Nachgelassene Texte von Margarete Steffin
Es gibt nicht wenige Leute, die auf dieses Buch gewartet haben. Margarete Steffin wurde von Hanns Eisler einmal als »wertvollste Mitarbeiterin von Brecht«, als »ungeheuer begabt« bezeichnet. Einige der Brecht- Stücke zwischen 1933 und 1941, so Furcht und Elend des Dritten Reiches, wären ohne ihre Arbeit undenkbar. Sie starb 1941, erst 33jährig, in einem Moskauer Krankenhaus an Tuberkulose, ein schmales, sehr eigenständiges Werk hinterlassend, das allemal wert ist, aus dem Schatten Brechts gerückt zu werden.
Jetzt liegen die Nachgelassenen Texte vor, von Inge Gellert sehr sorgfältig und liebevoll ediert, ein Band, der nicht nur das Philologenherz erwärmen dürfte. Die Texte von M.S. sind durchdrungen vom Geruch der proletarischen Wohnküche, in der sie ihre Kindheit verbrachte. Berliner Arbeiterleben, vom Schwangerschaftsabbruch auf dem Küchentisch bis zur revolutionären Romantik der kommunistischen Gruppen, in den »Goldenen Zwanzigern«, Kreuzberger Hinterhof und Kopenhagener Exil — die Steffin schreibt eben nicht nur über sich. Erzählungen wie Die alte Frau führen durch ihren unterkühlten Ton jeden Anflug von Rührseligkeit ad absurdum. Außer kleiner Prosa, Erzählungen, autobiographischen Texten und Gedichten hat die Steffin, Zeit ihres Lebens schwerkrank und kinderlos, auch Stücke für Kinder geschrieben. Eins, Wenn er einen Engel hätte, ist im Band abgedruckt, witziges Agitprop- Theater.
Margarete Steffin war nicht nur ungeheuer begabt, sie war auch überaus fleißig, diszipliniert und bescheiden. Von diesen Eigenschaften profitierte Brechts Werk weitaus mehr als ihr eigenes, da sie sich selbst für zu unbedeutend hielt. Den großen »Meister« hatte sie 1932 bei der Uraufführung seines Stückes Die Mutter kennengelernt; sie spielte das Dienstmädchen. Steffins Gedichte, von den Sonetten Brechts zum Teil kaum unterscheidbar, und vieles andere ihrer autobiographischen Texte beschreiben die ebenso produktive wie verhängnisvolle Liebes- und Arbeitsbeziehung zwischen ihr und Brecht, der einen »Soldaten der Revolution« aus ihr machte. Das Leben schmerzt angesichts von isolierender Krankheit, erotischem Verlangen, Selbsthaß (»Ich bin ein Dreck«) und Verzweiflung der einen unter anderen. Im dokumentarischen Anhang finden sich Fotos der »Mitarbeiterin M.S.«, Daten zu ihrem Leben und Werk, Briefe — unter anderem war sie seit ihrem Pariser Aufenthalt im Jahr 1933 mit Walter Benjamin eng befreundet. Ein sensibel geschriebenes Nachwort und Literaturhinweise für die, die weiterlesen möchten, runden dieses Musterstück an Edition ab. Anke Westphal
Konfutse versteht nichts von Frauen — Nachgelassene Texte , herausgegeben von Inge Gellert, 367 Seiten, Rowohlt Berlin, 38 DM
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