INTERVIEW: »Gefährliche Protokolle«
■ Professor Outrive aus Belgien kritisiert die Arbeitsweise der Gauck-Behörde im Fall Fink und im allgemeinen
Zwei Tage lang führte eine internationale Delegation von Wissenschaftlern in Berlin Gespräche mit dem Wissenschaftssenator und der Gauck-Behörde zum Fall Fink und setzte sich für den entlassenen Rektor der Humboldt-Uni ein. Die taz sprach mit Lode van Outrive, Professor an der Universität Loewen/Belgien und Abegordneter des Europa- Parlaments.
taz: Was hat Sie bewogen, nach Berlin zu kommen und sich für Herrn Fink einzusetzen?
Lode van Outrive: Ich beschäftige mich seit Mai vergangenen Jahres mit der Geschichte der Humboldt- Universität und ihrer Abwicklung. Es war selbstverständlich, mich nicht nur mit Herrn Fink, sondern mit allen Beteiligten zu unterhalten.
Welchen Eindruck nehmen Sie von ihren Gesprächen mit Wissenschaftssenator Erhardt und Herrn Gauck und Herrn Geiger mit?
Ich habe meine Zweifel über die Methode, mit der Herr Erhardt in der Personalkommission mit seiner Stimme den Ausschlag für die Entlassung von Herrn Fink gab. Mehr noch beunruhigt mich die Gesetzgebung, die so etwas ermöglicht. Die administrative Abwicklung halte ich für ganz schlimm, weil dadurch normale Rechtsgrundsätze ausgesetzt werden.
Wie sollte Ihrer Meinung nach in einem solchen Fall vorgegangen werden?
Mit einem richtigen Gerichtsverfahren. Dann könnte man sich nicht nur auf Akten berufen, sondern auch auf andere Quellen.
Welche?
Zeugen der Stasi, die erklären, unter welchen Umständen Akten produziert wurden. Oder auch Zeugen, die nachweisen, ob derjenige wirklich ein Mitarbeiter gewesen ist. Wie bewerten Sie die Arbeit der Gauck-Behörde?
Ich denke, daß sie nicht wissenschaftlich sauber arbeiten. Sie machen etwa keine richtige, kritisch- historische Analyse der Stasi-Quellen. Wie die Stasi in der Realität funktioniert hat, kann doch nicht allein aus dem vorhandenen Papier herausgelesen werden. Ich habe außerdem feststellen müssen, daß sie ganz gefährliche Protokolle erstellen. Im Fall Fink heißt es: Der Mann ist inoffizieller Mitarbeiter. In meinen Augen ist das falsch.
Nach der bisherigen Aktenlage kann man nur erklären: Wir haben in den Akten den Hinweis gefunden, daß er als ein inoffizieller Mitarbeiter genannt wird. Das ist ein großer Unterschied. Wenn man so arbeitet, bleiben Fragen. Das geht über die Personen Gauck und Geiger hinaus und bezieht sich auf das ganze System. Ich finde, daß man die Behörde zu früh in die Akten hat schauen lassen, ohne zu wissen, wie sie das Material zu interpretieren haben. Interview: Severin Weiland
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