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Iran streckt Fühler in die GUS aus

■ Gemeinsamer islamischer Markt mit unabhängigen Nachbarstaaten angestrebt/ Warnung vor „Kamikazepolitik“/ Ausbau kultureller und wirtschaftlicher Beziehungen/ Konkurrenz mit der Türkei

Teheran/Berlin (afp/taz) — Als sich Ende letzten Jahres der Zerfall der Sowjetunion andeutete, reagierte die iranische Regierung vorsichtig. Republiken, die ihre Unabhängigkeit erklärten, versagte sie zunächst die diplomatische Anerkennung — auch jenen zentralasiatischen Republiken mit islamischer Bevölkerungsmehrheit, zu denen traditionell enge kulturelle und religiöse Bindungen bestanden. Inzwischen hat der Iran in jeder der Republiken eine Botschaft eröffnet. Mit vielfältigen Initiativen versucht der Iran außerdem, die kulturellen Brücken zu seinen neuen Nachbarrepubliken wiederherzustellen und die wirtschaftlichen Kontakte zu intensivieren.

„Alle diese Republiken wünschen unsere Unterstützung“, betonte der iranische Außenminister Ali Akbar Welajati in den letzten Wochen immer wieder. Einige Wochen vor dem endgültigen Zusammenbruch der UdSSR Ende Dezember besuchte er die zentralasiatischen Republiken. Besonders an einer Zusammenarbeit mit Aserbaidschan, mit seiner schiitischen Bevölkerungsmehrheit, und Tadschikistan scheint die Teheraner Regierung sehr interessiert. Daneben scheint der Iran, Nachfolgestaat des einst große Teile der Ex-Sowjetunion umfassenden persischen Reiches, vor allem die Vormacht Rußlands in der Region zurückdrängen zu wollen.

Die regierungsnahe Tageszeitung 'Tehran Times‘ schrieb am Montag unter dem Titel „Russisches Roulette“, der „umsichtige Ansatz zur Wirtschaftsreform“ von Michail Gorbatschow sei den „radikalen Veränderungen“ des russischen Präsidenten Boris Jelzin vorzuziehen. Dessen Politik könne zu „einem Bürgerkrieg oder zu Anarchie führen und die Stabilität in Europa, Asien und der Welt gefährden“. Die neuerdings unabhängigen Staaten betrieben eine „Kamikazepolitik“, wenn sie die staatlichen Zuschüsse für die Wirtschaft abschnitten.

Die iranische Regierung versucht derzeit, die Grundlage für eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit mit seinen neuen Partnern zu schaffen. Am Sonntag schlug die 'Tehran Times‘ einen „gemeinsamen islamischen Markt“ vor. Daran sollen der Iran, die Türkei und Pakistan — die bereits eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden — sowie die sechs islamischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion beteiligt sein. Am Montag kündigte die iranische Regierung darüber hinaus an, daß die Gaspipeline, über die bisher iranisches Gas an die UdSSR geliefert wurde, „nur noch mit der Republik Aserbaidschan betrieben wird“. Iran hat außerdem hunderttausend Tonnen Zement von Aserbaidschan bestellt.

Der Weg scheint nun auch frei für iranische Ölbohrungen im Kaspischen Meer, die zu Zeiten der Sowjetunion unmöglich waren. Teheran spricht von einer „neuen Kooperation“ der Anliegerstaaten des Kaspischen Meers — Irans, Aserbaidschans, Kasachstans, Turkmenistans und Rußlands. Der iranische Ölminister Gholamresa Aghasadech soll innerhalb der nächsten Tage zu einer offiziellen Mission ins aserbaidschanische Baku aufbrechen.

Außerdem führt die „Stimme der islamischen Republik“, das Auslandsprogramm von Radio Teheran, heftige Attacken gegen die USA, der sie vorwirft, über die Türkei Einfluß über die islamischen Republiken der Ex-UdSSR gewinnen zu wollen. Denn ungeachtet der angestrebten wirtschaftlichen Öffnung zum Westen fährt Teheran einen außenpolitischen Kurs, der in erster Linie auf eine Zurückdrängung des Einflusses der USA in der Region abzielt.

Der Sender hat zudem die islamischen zentralasiatischen Staaten aufgefordert, das kyrillische Alphabet aufzugeben und statt dessen aus „religiösen und kulturellen Gründen“ zum arabischen zurückzukehren, das auch im Iran verwendet wird. Schließlich müßten sie „ihre kulturelle Identität wiederfinden“.

In dieser Frage sind sich der Iran und sein Partner Türkei allerdings alles andere als grün. Die Türkei, getreu der Tradition Atatürks, favorisiert eine Umstellung auf das lateinische Alphabet. Dahinter steht eine Konkurrenz um den Einfluß in den islamischen Sowjetrepubliken, vor allem aber in Aserbaidschan, dessen Bewohner einen Turkdialekt sprechen. Militant rechtsnationalistische Kreise in der Türkei würden daher Aserbaidschan am liebsten dem eigenen Staat einverleiben.

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