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Unterm Strich

Die Archive des 1990 verstorbenen Marxismus- Theoretikers Louis Althusser sind von seinen Erben dem Institut Memoires de l' Édition Contemporaine (IMEC) in Paris übergeben worden. Das Institut wird demnächst eine Reihe unbekannter autobiographischer, literarischer und philosophischer Schriften, ein Kriegstagebuch sowie die Korrespondenz Althussers veröffentlichen. Unter den autobiographischen Schriften befindet sich L'Avenir dure Longtemps (dt.:Die Zukunft dauert lange), ein Text, der in den Jahren der psychiatrischen Behandlung entstanden war, nachdem der manisch-depressive Philosoph seine Frau erwürgt hatte; Althusser wollte, daß er erst nach seinem Tod veröffentlicht wird. Außerdem enthalten die Archive die mehrere tausend Bände umfassende Privatbibliothek, persönlich geordnete Akten, Manuskripte und Notizen. Althusser korrespondierte u.a. mit Jacques Lacan, Jacques Derrida, Gilles Deleuze und Jean Guitton. „Die bedeutenden Dokumente können zum Verständnis einer ganzen geistigen Epoche von den fünfziger bis zu den achtziger Jahren beitragen“, schreibt 'dpa‘ und hat damit auf seine lapidare Art, wie immer, irgendwie recht.

Ist sie nicht verblüffend, die Unverdrossenheit, mit der Sascha Anderson am Business as usual des Lyrikers festhält, inklusive Lesereise usw.? Am Donnerstag, dem 20. Februar, liest er in der Theaterpassage Essen zusammen mit Bert Papenfuß-Gorek für sechs Mark fuffzig aus seiner Poesie. Eine Poesie für sich ist der Ankündigungstext. „Brauchen wir eine neue Lektüre der Poeten vom Prenzlauer Berg?“ heißt es dort rührend euphemistisch, und weiter: „Sie woll(t)en die totale Poesie, jetzt hat man ihnen den totalen Krieg ins Haus getragen.“ Das muß man sich erst mal über die Zunge gehen lassen: „ins Haus getragen“! Sitzen einfach friedlich im Haus, die Jungs, und der böse Krieg kommt zu ihnen. Bei allem Verständnis für verfahrene Situationen, das sprengt die Grenzen eines lyrisch freien Wirklichkeitsverständnisses dann doch. Anderson liest in Essen aus seinen Veröffentlichungen Jeder Satellit hat einen Killersatelliten, Totenreklame und Brunnen Randvoll.

Heute abend um 20 Uhr liest die Schauspielerin Silja Lesny Essays, Geschichten, Warn-, Zorn- und Liebesgedichte aus dem Werk von Erich Fried. Außerdem erzählt sie von ihren Begegnungen mit ihm und zeigt anschließend den offenbar noch kurz vor Frieds Tod fertiggestellten Film Die ganze Welt soll bleiben — ein Erich-Fried-Portrait. Ort: 0-1040 Berlin, Chausseestraße 125.

Wolf Wondratschek hat seinen ersten großen Roman (über 500 Seiten!) in die Maschine gefaustet. Er heißt Einer von der Straße und wird Mitte Februar erscheinen.

Good old Büchergilde Gutenberg: Zwei Bände aus deren Programm erhielten jeweils das von einer Jury in Frankfurt verliehene Prädikat „eines der schönsten deutschen Bücher 1991“. Wir freuen uns natürlich buchstäblich und solidarisch im Namen der Gutenberg-Galaxis, fühlen uns aber ein wenig an Miß-Wahlen erinnert.

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