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Drogenpolitik braucht breiteren Suchtbegriff

■ Landesdrogenbeauftragter zu Perspektiven des Drogenhilfeplans

Hier bitte Portrait

Guus v.d. Upwich

Guus van der Upwich, der Landesdrogenbeauftragte in Bremen, entwickelte im Gespräch mit der taz Perspektiven Bremischer Drogenpolitik. (vgl. taz v. 4.1. — Elke Steinhöfel und taz v. 6.1. - Karoline Linnert).

taz: Wo liegen die Defizite im bestehenden Angebot, in der Umsetzung des Drogenhilfeplans?

Guus van der Upwich: Was wir in der Verwaltung als schwierig erleben, ist die Umsetzung in den politischen Raum. Beispiel: Wir brauchen dringend Wohnraum, damit wir nicht jeden Herbst Container aufstellen müssen — politisch müssen dazu ziemlich aufwendige Finanzentscheidungen getroffen werden. Und da werden wir enttäuscht. Und wenn wir dadurch auf der Ebene der Entscheidung nicht weiterkommen, wird uns dann aus dem politischen Raum wiederum vorgehalten: Wir kommen mit unserer Drogenpolitik nicht voran. Das sieht man bei der Wohnraumversorgung. Aber auch auf einer Ebene, wo Politik wenig Einfluß hat: Die Bereitstellung von Entgiftungsbetten. Das ist ein Punkt zwischen Krankenkassen und Krankenhaus.

Wie steht es mit dezentralen Beratungsstellen?

Es gab im Sommer letzten Jahres die Aufforderung, eine große Senatsvorlage zu schreiben. Unter anderem mit der Situation: Dezentralisierung der Beratungsstellen, aber auch Dezentralisierung der Methadonvergabe. Diese Vorlage ist im September zurückgehalten worden — aus Gründen, die für uns so nicht nachvollziehbar sind. So daß wir jetzt mit einem fertigen Konzept dasitzen - aber ohne Geld. Und ich befürchte, wenn der neue Senat im August den Haushalt 92/93 verabschiedet, daß dieser Brocken ganz schwer zu schlucken sein wird — im politischen Raum. Allein schon vier kleine dezentrale Beratungsstellen für die Drogenberatung bedeuten ein Volumen von 800.000 Mark.

Und da bekommen wir die Probleme mit der Bevölkerung: Zum Beispiel im Viertel, wo die Bevölkerung seit langem sagt: „Dezentralisieren, wie ihr es im Drogenhilfeplan 1990 festgeschrieben habt.“

Bis August wird es also den Schwerpunkt Viertel weiter geben?

In Nord haben wir eine Beratungsstelle — mit einem Mitarbeiter, ohne Räumlichkeiten. Dafür gibt es auch die Gelder. In Gröpelingen haben wir in einem Büro der Bremer Hilfe stundenweise Beratungsangebote. Aber tatsächlich: im Westen, im Süden und im Osten brauchen wir Beratungsstellen. Und die drei sind finanziell nicht abgesichert. Vor August läuft da nichts. Das müssen wir so deutlich sagen. Aber auch, daß sich die Auflösung der Szene nicht durch die Dezentralisierung bewerkstelligen läßt. Da werden wir in der Bevölkerung immer wieder mißverstanden.

Dezentralisierung der Drogenberatung heißt: Daß wir einen Teil der Drogenabhängigen in ihren Regionen erreichen. Aber der Sinn der Dezentralisierung ist, daß wir Jugendliche frühzeitiger erreichen, so daß sie nicht so stark verelenden und dann irgendwann am Sielwalleck stehen. Das ist ein Prozeß von Jahren und diese verelendete Szene am Sielwall, mit ihrem Dealertum drumherum, mit dem Pillenmarkt — die wird nicht verschwinden, wenn wir im September kleine dezentrale Beratungsstellen schaffen. Meine persönliche Idee ist, daß wir die Beratungsstellen in den Regionen nicht durchgängig, sondern nach Zielangebot öffnen. Daß Beratung, Cafezeit und medizinische Versorgung in klar abgegrenzten Zeiten angeboten werden.

Würde der geplante Methadon-Bus nur am Wochenende eingesetzt?

Für die Methadonvergabe: Ja. Daran halten wir auch fest: Die Versorgung von Patienten mit Methadon ist eine ärztliche Aufgabe und kann nicht vom Staat auf einmal finanziert werden. Es wäre etwas ganz anderes, wenn die Ärztekammer sagte, wir finanzieren einen Bus, entlasten unsere Arztpraxen und bezahlen dann eine dezentrale Methadonvergabe - als „Kassenleistung.“

Man soll Drogenabhängige, wie andere Suchtkranke, aber nicht aus Regelsystemen rausnehmen. Das wäre ein falscher politischer Akzent, hier zu sagen, das muß alles staatlich organsiert und finanziert werden. Das wäre eine kurzfristige Strategie, weil man schnell ans Ende der Machbarkeit kommt. Suchtkranke gehören wie andere Versicherte zu den regulären Sozialversicherungssystemen und von denen muß man fordern, auch zielgruppenadäquat zu reagieren. Sie herauszulösen bedeutet langfristig eine Desintegration.

In der öffentlichen Diskussion heißt es ja zunehmend, wer nicht im Regelsystem mit Methadon versorgt werden kann — da muß die Sozialhilfe einspringen. Und da sagen wir ganz deutlich: Nein. Wir haben eine klare Regelung über die Methadonvergabe in Deutschland. Und wir können nicht ewig für die, die es nicht von den Krankenkassen bekommen, in Vorleistung gehen. Und wenn wir in Bremen sagen, es gibt bestimmte Gruppen,die nicht in betracht kommen, dann müssen wir dafür Haushaltsmittel finden — aber nicht über die Sozialhilfe.

Welche Konsequenz hat diese Auffassung?

Die Mehrheit der Drogenabhängigen wird auch mit der neuen Vergaberichtlinie reinkommen. Für die Gruppe derer, die draußen blieben, werden wir schnell den Überblick haben, ob das Haftentlassene sind, die keine körperlichen Symptome haben — und für die müssen wir ein Programm suchen.

Auf der anderen Seite müssen wir bundesweit Krankenkassen und Rentenversicherungsträger von ihrer primären Aufgabe überzeugen. Und da, wo es nur um sozialpädagogische Aufgaben geht, sind wir als Staat auch bereit, zu investieren. Aber Arbeitstherapie, Ergothreapie, Beschäftigungstherapie — ist eine Aufgabe, die von den Kassen zu leisten ist. Und da verhandeln wir mit Nachdruck auf Bundesebene.

Wir erwarten von Politik, daß die Sicht in die Regelsysteme reingeht, und daß hier ein breiterer Drogen- und Suchtbegriff entwickelt wird. Und diesen Blickwinkel muß Landesdrogenpolitik öffnen. Interview: Birgitt Rambalski

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