piwik no script img

Gegen vorproduzierte Träume

■ Hoppers „Out of The Blue“ und „Einmal Hölle und zurück“

Nach dem Überraschungserfolg von Easy Rider (1969), dem 400.000 Dollar-Roadmovie, das 16 Millionen einspielte, waren die 70erJahre für den Regisseur Dennis Hopper eine Durststrecke der versagten künstlerischen Anerkennung, die er mit exzessivem Alkoholkonsum und schauspielerischen Glanzleistungen kompensierte. Erst 1979, als bei den Dreharbeiten zu dem Kanadischen Spielfilm Explodierende Träume (Out of the Blue) der Regisseur gefeuert wurde, bot sich dem wegen seines Drogenkonsums verschrienen Künstler die Chance, in den Regiestuhl zurückzukehren. In nur zwei Tagen schrieb er ein neues Skript, inszenierte und spielte die Hauptrolle.

Explodierende Träume zeichnet einen Gegenentwurf zu Easy Rider. Statt um Aufbruch in die Weite des Kontinents geht es um Enge und Frust in einer amerikanischen Kleinstadt. Don Barnes (Dennis Hopper) saß seit fünf Jahren hinter Gittern, weil er mit dem LKW einen Schulbus zerteilte. Der erhoffte Neubeginn erweist sich als Anfang vom Ende. Don trinkt, seine Frau verfällt dem Heroin, und seine Tochter flüchtet sich in agressive Punk-Attitüden. Die Spannung des aufrechterhaltenen Idylls entlädt sich in einer Explosion der Gewalt.

Im Anschluß versucht Georg Eich in seinem Filmforum Einmal Hölle und zurück, die Facetten des Antistars zu beleuchten. Welche Filme hat er außer „Easy Rider“ gedreht? Wer kennt den Fotografen? Und schließlich den Drogenhippie, der in einer Groß-WG 28 Leute durchfütterte und selbst immer weiter in ein Niemandsland zwischen LSD-Paranoia und Alk-Delir abdriftete? 45 Minuten können diese Fragen nicht beantworten. Statt dessen vermitteln ausgewählte Anekdoten Eindrücke vom Leben unter dem Vulkan. Voller Bewunderung erzählt Coppola, daß er vom Schauspieler Hopper so begeistert war, daß er nach Beginn der Apokalypse Now-Dreharbeiten eigens extra für ihn eine neue Figur geschaffen hat. Auf dieser Rolle des ausgeflippten Fotografen (und auf etlichem mehr) war Hopper drauf, als er danach von Wenders auf dem Hamburger Flughafen für den Amerikanischen Freund abgeholt wurde.

1936 in Dodge City, Kansas, geboren, gelang Hopper schon als 18jähriger an der Seite James Deans in „...Denn sie wissen nicht, was sie tun“ der schauspielerische Durchbruch. Der Tod des Freundes stürzte ihn in eine Krise, die seine erste Karriere mit 21 beendete. Bis 1967 arbeitete er in New York als Fotograf. Exzesse zehrten so lange an seiner Substanz, bis er 1983 in die Psychatrie eingewiesen wurde. Mit seiner enormen Willenskraft schaffte er den Sprung vom Alkoholiker zum Workoholic. Von den fünf Rollen, die er seit 1986 verkörperte, erregte die des Psychopathen in Blue Velvet das meiste Aufsehen. Doch Hoppers Herz schlug immer mehr für die Regie. Die mittelmäßigen, nicht von ihm konzipierten Filme wie „Colors“ (1988) und The Hot Spot (1990) entsprechen nicht dem Naturell des Künstlers, der sich filmisch bislang nur einmal ganz verwirklichen konnte. Nach dem Easy Rider-Erfolg mit Ruhm und Geld ausgestattet, zog Hopper nach Peru, um dort zu einer Generalabrechnung mit Hollywoods Mythen auszuholen. The last Movie (1971), den das ZDF am 17.1. als deutsche Erstaufführung ausstrahlt, spielt in einem kleinen Anden-Dorf.

Der Film beginnt mit einer Prozession, die in die Dreharbeiten zu einem Western übergeht. Nach dem Verschwinden der Filmcrew sind die religiösen Gepflogenheiten der bei der Produktion angestellten Dorfbewohner wie ausgewechselt. Alle sind verrückt nach Film und schlagen sich vor ihren aus Bast geflochtenen Kameraimitationen die Schädel ein. Als der Stuntman Kansas (Hopper) demonstriert, wie man sich prügelt, ohne sich wehzutun, wird er als Ketzer verjagt.

Mit diesem beißenden Vexirspiel über Kulturimperialismus lag Hopper quer zum Business. Zu verstörend ist der aus der Perspektive eines alkoholdelirierenden Stuntman gefilmte Sturmlauf. The last Movie verschwand nach zwei Wochen im Archiv. Sein Flop bescherte Hopper den zweiten Karriereknick, der seine persönliche Misere forcierte. Manfred Riepe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen