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Chadli Bendjedids letzter Dienst an die Demokratie

■ In seiner 13jährigen Amtszeit vollzog Algeriens Präsident die Abkehr von der Herrschaft der Staatspartei FLN — was übrigblieb, war die Macht der Armee

„Chadli — Mörder!“ hallte es im Oktober 1988 durch die Straßen von Algier, als die jugendlichen Demonstranten aus den Slums sich den Panzern der Armee entgegenstellten und zu Hunderten niedergeschossen wurden. „Chadli muß weg!“

Nun ist Chadli weg, und er verläßt die politische Bühne auf dieselbe Weise, wie er sie betrat: im Schatten der algerischen Armee. Die Überraschung war groß, als der stille Militärkommandant von Oran Anfang 1979 zum Staatspräsidenten ernannt wurde, nachdem die verschiedenen Flügel der Staatspartei FLN (Nationale Befreiungsfront) sich nicht auf einen Nachfolger des verstorbenen Houari Boumediene hatten einigen können. Chadli Bendjedid, von dem nur bekannt war, daß er Boumedienes sozialistische Träume nicht teilte, stellte jedoch bald seine Fähigkeiten unter Beweis. Seine Ziele lauteten: Abkehr vom Sozialismus, Zurückdrängen der alten Parteicliquen. Er setzte wirtschaftliche Liberalisierungen durch und ließ zu, daß sich die FLN-Basis dagegen auflehnte, um ihr dann nach den „Brotunruhen“ vom Oktober 1988 ihr eigenes Versagen unter die Nase zu reiben.

So konnte er es sich leisten, die allmächtige Staatspartei schrittweise zu entmachten, ohne dadurch die aus dem Befreiungskampf hervorgegangene Herrschaft des militärisch-bürokratischen Komplexes über Algerien ernsthaft zu gefährden. Bald stand die FLN kopflos da, während Chadli seine Macht ausbaute. Im Frühjahr 1989 konnte er gegen die Widerstände des Apparats die Legalisierung der „Islamischen Heilsfront“ (FIS) durchsetzen. Gleichzeitig überzeugte er die Armee davon, sich aus dem Zentralkomitee der FLN zurückzuziehen. Schlichtweg „vergessen“ hatte er derweil, den nach den Unruhen geschaßten FLN- Generalsekretär Messadia zu ersetzen. Erst zwei Jahre später erhielt die Partei wieder eine Führung.

Die Armee in der Rolle des Königsmachers

Als politische Akteure sollten in Chadlis Modell eines erneuerten Algeriens schließlich, außer lauter Parteien — die auf sozialdemokratische Interessenvertretung reduzierte FLN eingeschlossen —, nur noch er selbst zusammen mit der Armee übrigbleiben; und die hatte er im Laufe der Jahre mit einer ihm genehmen Führung versehen. Ende Juni 1991 schien dieses Ziel erreicht: Die FIS- Führung saß in Haft, die FLN war entmachtet, der parteilose Sid Ahmed Ghozali war Premierminister, im Land herrschte Ausnahmezustand mit Sondervollmachten des Militärs.

Doch inzwischen war es zu Differenzen zwischen den beiden verbliebenen Machthabern gekommen. Einige Militärs verdächtigten Chadli, eine mögliche Regierungsübernahme der FIS nach freien Wahlen akzeptieren zu wollen. Sie drängten auf seinen Rücktritt und vorgezogene Präsidentschaftswahlen. Am 24.Dezember erklärte sich Chadli jedoch zu einer „Kohabitation“ mit einer FIS-Regierung bereit — worauf sich FIS-Sprecher Hachani wenige Tage später artig revanchierte. Somit wurde klar: Wer einen FIS- Sieg verhindern will, kommt an der Entfernung Chadlis aus dem Amt nicht vorbei. Und wie bei jedem Machtwechsel in Algerien übernimmt auch diesmal die Armee die Rolle des Königsmachers.

Tränen wird man Chadli dennoch wenige nachweinen. Die Wirtschaftslage hat sich in seiner Amtszeit von schlecht zu katastrophal gewandelt. Und noch nie erschien die politische Zukunft Algeriens so unsicher wie heute. Chadlis Rücktritt, wem auch immer er nützt, ist sein letzter Dienst an die Demokratie. Dominic Johnson

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