: Echt alltäglich
■ „Polizeireport“, So, 18.56 Uhr, Tele5
Bei Tele5 macht man sich Sorgen um das Wohl der Nation: „Noch nie wurde in Deutschland so viel geraubt, vergewaltigt, entführt und gemordet wie 1991.“ Grund genug für den Privatsender, „Hintergründe und Ursachen der Entwicklung zu beleuchten“. Und das jeden Sonntag. Bereits vor Ausstrahlung des ersten Polizeireport Deutschland wurde Tele5 unterstellt, man wolle das US- amerikanische Vorbild der „Reality- Shows“ imitieren. Dort werden echte Kriminalfälle mit echten Beteiligten an echten Schauplätzen nachgestellt. Das hört sich echt spannend an. Aber so neuartig kommt der Polizeireport dann doch nicht daher, echt nicht. Die einzigen authentischen Krimi-Bilder sind vom Doppelmord in einem Hamburger Billard-Lokal und einem Attentat mittels Autobombe. Wer die TV-Nachrichten schaut, kennt sie bereits.
Das wahre Anliegen der neuen Sendereihe wird bald deutlich. „Seit Wochen ist die Angst ein ständiger Begleiter der Autofahrer in Deutschland. Denn auf jeder Brücke an Autobahnen und Landstraßen droht Gefahr.“ Böse Menschen werfen dort große Steine oder Gullydeckel auf passierende Fahrzeuge. So werden Einzelfälle zum Alltäglichen gemacht. Gefahrenzulage für Handlungsreisende?
Die Fahndungsaufrufe sind wohl ein Tribut an „Ganoven“-Ede Zimmermann, der Hinweis auf den mutmaßlichen Entführer des Flick- Schwagers ein alter Hut, das Phantombild des „Feuerteufels“ sieht Polizeireport-Moderator Michael Harder verblüffend ähnlich.
Beim Thema „Schwindsucht im Vertrauen zur Polizei“ beklagt Kanzleramtsminister Bohl zum x-ten Male die unzureichende Besoldung und Ausstattung der Polizei. Auch die BürgerInnen müßten einschreiten, wenn jemand zusammengeprügelt werde. Und die Verbrecher seien mit hochmoderner Technik ausgestattet. Meinte er Baseballschläger? Der Polizist schreibe auf einer 30 Jahre alten Schreibmaschine. „Dann ist er von vornherein im Hintertreffen.“ Klar, die ist ja unhandlicher als ein Knüppel. Interessant hätte werden können, daß Angehörige der Anti-Terror-Gruppe Brandenburg zu Wort kommen. Leider behalten sie ihre Skimützen an und sind kaum zu verstehen.
Tele5 betont gern, man wolle sich nicht auf Boulevard-Niveau begeben. Doch dann zeigte man wiederholt Schlagzeilen der 'Bild‘-Zeitung. Auch das Versprechen, Ursachen zu beleuchten, wurde nicht erfüllt. Ärgerlich das Ganze, aber der Aufregung nicht wert. Achim Becker
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