ABT. DIREKTE DEMOKRATIE: Referendum gegen IWF
Schweizer Beitritt zu IWF/Weltbank verzögert sich ■ Aus Genf Andreas Zumach
Die seit Jahren betriebenen Planungen der Berner Regierung für einen baldigen Beitritt der Schweiz zur Weltbank und zum Internationalen Währungsfonds (IWF) sind erst einmal ein Opfer der direkten Demokratie geworden: Rechtzeitig zum Stichtag am Montag reichte eine von Dritte-Welt-Aktionsgruppen gebildete Initiative die notwendigen 50.000 Unterschriften für ein Referendum über eine eidgenössische Mitgliedschaft in IWF und Weltbank ein.
Die Regierung der finanzwirtschaftlichen Mittelmacht Schweiz hatte in den Beitrittsverhandlungen erfolgreich einen Stimmenanteil von 1,74 Prozent durchgesetzt. Im Mai wollte sie den Beitritt vollziehen. Mit dem ausgehandelten Stimmenanteil hätte die Schweiz bei der im Herbst turnusgemäß anstehenden Neuverteilung der Mitgliedschaften in den Exekutivgremien der beiden Organisationen einen eigenen Sitz beanspruchen können. Dieser Zeitplan ist nun nicht mehr einzuhalten. Das Referendum kann frühestens Ende 1992 stattfinden. Einige Mitglieder der Regierung plädieren jetzt sogar für eine Verschiebung auf 1993 oder gar 1994. Ihre Sorge: ein eventuelles Nein der Eidgenossen zu IFW und Weltbank vor den ebenfalls anstehenden Abstimmungen von Parlament und Volk über einen EG-Beitritt könne diesen gefährden.
Doch mit der Verschiebung des Beitritts zu IWF und Weltbank sinken die Chancen der Schweiz für einen Sitz in den beiden Exekutivgremien. Denn im Herbst werden dort angesichts des Entstehens neuer Staaten in Osteuropa die Karten und damit der Einfluß auf jeden Fall neu verteilt.
Die Ukraine, Rußland, Kasachstan und Aserbeidschan haben bereits Aufnahmeanträge bei IWF und Weltbank gestellt. Mit entsprechenden Begehren der übrigen GUS-Mitglieder sowie von Kroatien und Slowenien wird gerechnet. Mit der Aufnahme dieser Staaten verändert sich auch der Schlüssel für die Zusammensetzung der beiden Exekutivgremien — zuungunsten der Schweiz.
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